Pflege-Unternehmer klagt an

Missstände in der ambulanten Intensivpflege

Die Vorwürfe kommen aus der Branche selbst: In der ambulanten Intensivpflege sollen Angehörige zu Mittätern gemacht worden sein, behauptet ein Münchner Pflege-Unternehmer.

Von Jürgen Stoschek Veröffentlicht:
Pflege rund um die Uhr: Voraussetzung ist, dies als Sachleistung bei der Kasse abrechnen zu können.

Pflege rund um die Uhr: Voraussetzung ist, dies als Sachleistung bei der Kasse abrechnen zu können.

© CHW / fotoliA.com

MÜNCHEN. In der außerklinischen Intensivpflege soll es in zunehmendem Maße kriminelle Machenschaften geben. Das zumindest behauptet Christoph Jaschke, Geschäftsführer der Heimbeatmungsservice Brambring Jaschke GmbH aus Unterhaching bei München.

Die Intensivpflege ist ein Teilbereich der allgemeinen Häuslichen Krankenpflege; Patienten müssen oftmals maschinell beatmet werden.

Das monatliche Umsatzvolumen liegt laut Jaschke pro Patient, der in der Regel von fünf bis sechs Pflegern rund um die Uhr versorgt werden muss, zwischen 20.000 und 30.000 Euro.

"Deshalb ist gerade diese Versorgungsform für Betrüger verlockend", erklärte Jaschke in München. In diesem Bereich gebe es geradezu mafiöse Strukturen.

Immer mehr Menschen müssen außerklinisch beatmet werden

Schätzungen zufolge steigt die Zahl der Menschen, die außerklinisch beatmet werden, in Deutschland jährlich um etwa 15 Prozent. Der Grund, so Jaschke: Als Folge der DRGs und des Kostendrucks in den Krankenhäusern würden immer häufiger beatmungspflichtige Patienten in die ambulante Versorgung entlassen, wo sie auf unqualifizierte Dienstleister stießen.

Diese nutzten die Notlage der Betroffenen und ihrer Angehörigen schamlos aus, berichtete Jaschke.

Erst kürzlich waren Ermittlungen des BKA wegen eines mutmaßlichen Abrechnungsbetruges in der Pflege bekanntgeworden.

Tatsächlich sei eine Masche in der Intensivpflege schon lange bekannt, erklärte Jaschke nun. Zunächst erbringe der Pflegedienst die vom Arzt verordneten Leistungen.

"Patient und Angehörige werden zu Mittätern"

Doch schon bald werde den Betroffenen und ihren Angehörigen gesagt, dass man die Leistungen nicht mehr in vollem Umfang erbringen könne.

Die Angehörigen könnten aber selbst mitarbeiten und bekämen dafür sogar eine Vergütung, die "schwarz" ausbezahlt werde.

Damit den Kassen das Ganze nicht auffällt, würden die Angehörigen verpflichtet, die Leistungsnachweise weiterhin pauschal abzuzeichnen. "Patient und Angehörige werden so zu Mittätern", erklärte Jaschke. Von außen sei dieses System kaum zu erkennen.

Er habe immer wieder auf Schwachstellen und Missstände in diesem Bereich hingewiesen. Doch niemand habe reagiert, erklärte Jaschke, der auch Leiter der Arbeitsgruppe Pflege und Betreuung von Transparency Deutschland ist.

Die Organisation hatte bereits 2013 auf die Korruptionsanfälligkeit der Strukturen in der ambulanten Pflege hingewiesen und bessere Kontrollen bei Pflegediensten, transparentere Abrechnungssysteme und strengere Regeln bei der Vergabe von Aufträgen bei der Entlassung von Pflegebedürftigen aus der Klinik in die häusliche Pflege angemahnt.

AOK fordert Kontrollmöglichkeiten

Unterdessen hat die AOK Bayern "effektive Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten" gefordert. Qualifikationsnachweise für das eingesetzte Pflegepersonal sollten den Kassen künftig verpflichtend vorgelegt werden.

Notwendig sei ferner ein bundesweites Register, in dem Zulassungsentziehungen wegen Abrechnungsbetrug und ordnungsrechtliche Betriebsuntersagungen personenbezogen gespeichert werden, so die AOK.

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