Heftige Kritik
Teilhabegesetz fällt bei Betroffenen durch
Teilhabegesetz im Gegenwind: Menschen mit Behinderung wehren sich heftig gegen die geplante Reform.
Veröffentlicht:BERLIN. Der Entwurf zum Bundesteilhabegesetz (BTHG) stößt bei Menschen mit Behinderungen auf heftige Kritik. "Die Reform steht unter dem Diktat des Geldes und stammt von denselben Verfassern wie die Hartz-IV-Gesetze", sagte Raul Krauthausen vom Verein Sozialhelden bei einer SPD-Veranstaltung im Bundestag. Er empfahl, das Gesetz zurückzuziehen und eine Denkpause einzulegen.
Dominik Peter, Vorstand im Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin, nannte es "ein schlecht formuliertes Gesetz". Falls es in Kraft trete, werde es "tausend Prozesse" auslösen.
"Die Politik hat uns zwar beteiligt, aber nicht gehört", sagte Inklusions-Aktivist Krauthausen. Das BTHG werde die finanzielle Lage der behinderten Menschen nicht verbessern. Wer Assistenz oder Pflegeleistungen erhält, darf bislang bis zu 2.500 Euro ansparen.
Das Gesetz sieht vor, den Vermögensfreibetrag sukzessive anzuheben. Im ersten Schritt soll er 2017 auf 25.000 Euro, später auf 50.000 Euro steigen. Das Vermögen eines Partners wird dabei berücksichtigt. "Das bedeutet, kontrolliert arm zu bleiben", kritisierte Dominik Peter.
Kerstin Tack, behindertenpolitische Sprecherin der SPD, sieht in der geplanten Anrechnung von Vermögen eine Verbesserung. Positiv bewertet sie auch die unabhängige Beratung für die Betroffenen, die aus Bundesmitteln finanziert werden soll.
Zentral sei zudem, die Eingliederungshilfe aus dem System der Sozialhilfe herauszuführen. Der Paradigmenwechsel - weg vom Fürsorgedenken, hin zu einer echten Teilhabe - werde eingelöst. "Menschen mit Behinderungen sollen die Unterstützung bekommen, die sie für ein selbstbestimmtes Leben brauchen", sagte Tack.
Norbert Müller-Fehling vom Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (BVKM) will ebenso an der Reform festhalten, sie jedoch in Teilen nachbessern. Vor allem die freie Wahl des Wohnortes sei besser abzusichern. Vorgesehen ist, die Unterstützung ausschließlich am individuellen Bedarf auszurichten und nicht mehr zwischen ambulant, teilstationärer und stationärer Wohnform zu unterscheiden. "Wer künftig stationär wohnen will, soll dies auch weiterhin tun können", sagte er.
Die Betroffenen sparten nicht mit Kritik. Das Gesetz verstoße gegen die Menschenrechte, trage zur Politikverdrossenheit bei und sei reine Kostendämpfung, lauteten die Vorwürfe. "Ich habe die Nase voll, dass Menschen uns vorrechnen, wie viel wir kosten", sagte eine Frau im Rollstuhl.