Studie zum GBA

Allianzen zu Lasten Dritter

Eine Studie der privaten Stiftung Münch stellt die Gemeinwohlorientierung des GBA in Frage.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:

BERLIN. Eine Studie der Stiftung Münch birgt Sprengstoff für die Verfassung des Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA). Entscheidungen des GBA müssten künftig stärker am Gemeinwohl orientiert sein, formuliert Autor Professor Justus Haucap, Ökonom aus Düsseldorf. Zudem müssten Innovationen mehr Chancen auf Zugang zum System erhalten. Die Zusammensetzung des Ausschusses berge "das Risiko, dass er nicht immer zu idealen Entscheidungen kommt", sagte Haucap bei der Vorstellung der Arbeit in Berlin.

Innovationen sollen bestehende Angebote ablösen. Das könne Verlierer schaffen, argumentiert Haucap. Mit den Vertragsärzten, Kassen und Krankenhäusern säßen potenzielle Verlierer im GBA und seien Teil des Regulierungsprozesses. Innovationen, die Besitzstände gefährdeten, könnten daher nur schwerlich mit einem Markteintritt rechnen. Die Organisation des Gremiums könne dazu führen, dass Allianzen geschmiedet würden, die zu Lasten Dritter gingen, sagte Haucap. Die Partikularinteressen der den GBA bildenden Organisationen könnten somit über Gemeinwohlorientierung gestellt werden.

Die demokratische Legitimation des GBA ist seit seiner Gründung umstritten. Zuletzt hatte das Bundesverfassungsgericht 2015 leise Zweifel daran geäußert. In Frage steht, ob Vertragsärzte und -zahnärzte, die Kassen und die Krankenhäuser für die ihnen zugewiesene umfassende Steuerungsfunktion im Gesundheitswesen ausreichend legitimiert sind. Es könne dazu kommen, so die Karlsruher Richter, dass der GBA über die Köpfe von Dritten unmittelbar betroffener Parteien hinweg entscheide. Gemeint sind zum Beispiel die Beitragszahler, Patienten, Apotheker, nichtärztliche Heilberufe und die Industrie. Jetzt will die private Stiftung mit wissenschaftlicher Expertise Veränderungen in der Organisation der Selbstverwaltung anstoßen.

Mit Nachdruck soll die politische Öffentlichkeit auf mögliche Demokratiedefizite des Bundesausschusses aufmerksam gemacht werden. Am Geld für die Kampagne soll es nicht fehlen. Das hat der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Münch Stephan Holzinger anklingen lassen. "Wir haben den Mut, den Willen und die Mittel, das Projekt weiter zu treiben", sagte Holzinger.

Die Stiftung Münch hat dafür eine "Reformkommission" ins Leben gerufen. Der private Think Tank besteht aus Ökonomen und Juristen. Die Stiftung firmiert als unabhängig und gemeinnützig. (af)

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