Riesenskelett

Langer Anton geht auf Reisen

Marburgs "Langer Anton" war ein Gigant: 2,44 Meter misst der Riese, über den die forensische Anthropologin Nina Ulrich forscht. Wissenschaftler wissen heute, warum er so groß wurde – und warum Herrscher ihn liebten.

Von Gesa Coordes Veröffentlicht:
Der lange Anton mit der forensischen Anthropologin Nina Ulrich.

Der lange Anton mit der forensischen Anthropologin Nina Ulrich.

© Coordes

MARBURG. "Riesen haben die Menschen seit jeher fasziniert", sagt die Anthropologin Nina Ulrich, die einem ungewöhnlichen Mann im Rahmen ihrer Dissertation über die Herkunft der Präparate aus der Anatomischen Sammlung der Uni Marburg nachgespürt hat.

Anton Franck hieß er eigentlich, nannte sich aber Anton de Franckenpoint, was nobler klang und an seinen niederrheinischen Geburtsort Pont, einen Ortsteil von Geldern an der niederländischen Grenze erinnerte. Sein genaues Geburtsjahr ist nicht bekannt, da Holzschnitte aus Nürnberg und Straßburg unterschiedliche Daten vermuten lassen.

Zu viele Wachstumshormone

Auch Knochenuntersuchungen hätten in diesem Fall nichts genützt, sagt Nina Ulrich. Das liegt nicht am beeindruckenden Alter des mehr als 400 Jahre alten Skeletts, sondern an Antons Riesenwuchs, der die üblichen Anhaltspunkte für das Alter eines Menschen über den Haufen wirft. Die forensische Anthropologin geht aber davon aus, dass der Mann 1561 geboren wurde.

Er litt an einem Tumor der Hirnanhangdrüse, wodurch zu viele Wachstumshormone produziert wurden. Ob es auch genetische Ursachen für seinen Gigantismus gab, wird zurzeit von Endokrinologen aus dem belgischen Gent geklärt, die kürzlich kleine Proben aus dem Innenohr von Antons Skelett genommen haben. Sie hoffen, darin Spuren seiner DNA zu finden.

Nina Ulrich vermutet, dass er bereits im Alter von zehn bis zwölf Jahren auf Wanderschaft ging: "Da er normale Berufe kaum ausüben konnte, machte er aus seinem Leid eine Tugend." Er reiste in größere Städte, um sich bei Jahrmärkten und anderen Veranstaltungen wohl gegen Geld auszustellen.

Ob er auch Kunststücke vorgeführt hat, weiß man nicht. Belegt ist, dass er als 14-Jähriger in Nürnberg auftrat. Zu diesem Zeitpunkt maß er bereits 2,30 Meter.

Herrscher umgaben sich gerne mit "Riesen"

Später diente er als sogenannter "Heiduck" in der Leibgarde des Herzogs Heinrich Julius zu Braunschweig-Wolfenbüttel. Herrscher umgaben sich gern mit Riesen, die ihre Macht unterstreichen sollten, so Ulrich.

Davon zeugt ein Gemälde, das im Treppenaufgang des Marburger Anatomiegebäudes hängt. Es zeigt den langen Anton in einer prächtigen Uniform in Braunschweiger Farben. Vermutlich sorgte er allein durch seine imposante Erscheinung für Eindruck bei Freund und Feind.

Besonders kräftig war er allerdings nicht. Durch seine Erkrankung waren alle Organe vergrößert, weshalb er unter Diabetes, verknöcherten Bändern und massiver Arthrose litt.

Man fand auch eine lange Krücke, die heute neben dem Skelett steht. "Er hatte mit Sicherheit Schmerzen bei Gehen und Stehen", so Ulrich. Oberschenkelhalsbrüche an beiden Beinen lassen sich bis heute nachweisen.

Von Helmstedt nach Marburg

Er wurde auch nicht alt und starb am 21. November 1596 im Schloss Gröningen. Da war er wahrscheinlich erst 35 Jahre alt. Sein Skelett wurde der Anatomie der Universität Helmstedt übergeben. Gut 200 Jahre lang stand der lange Anton im medizinischen Hörsaal der Hochschule.

Doch die Universität Helmstedt wurde 1810 geschlossen und der Anatom Christian Heinrich Bünger erhielt einen Ruf nach Marburg. Das Skelett und andere wertvolle Präparate nahm er mit und begründete die Marburger Sammlung. Heute gehört der lange Anton zu den Highlights des Museums Anatomicum.

Erstmals wird dieses älteste Präparat der Sammlung nun ausgeliehen: Der lange Anton wird am 26. Juni nach Nürnberg gebracht, wo er bis November in einer Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums zu sehen ist.

Das Museum Anatomicum hat sich auf die Leihgabe nur eingelassen, weil Anton eigens in Vakuumkissen verpackt über die steilen Treppen in den Süden gebracht wird – von Spezialisten, die bereits die Terrakottaarmee des Ewigen Kaisers transportiert haben.

Der bis heute nachweislich größte vermessene Mensch der Welt war der US-Amerikaner Robert Wadlow (1918-1940), der mit seinen 2,72 Meter im Guiness-Buch der Rekorde steht.

Der größte lebende Mensch ist der Türke Sultan Kösen mit 2,51 Meter. Der langer Anton schafft es nach diesem Ranking auf die 25. Stelle weltweit.

2,30 Meter maß Anton de Franckenpoint bereits als 14-Jähriger.

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