Regierung unterstützt IQWiG-Papier

KÖLN (iss). Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat Rückendeckung für die von ihm vorgeschlagene Methodik der künftigen Kosten- und Nutzenbewertung erhalten.

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"Natürlich ist unser Vorschlag nicht perfekt." Professor Peter Sawicki Leiter des IQWiG

Das Bundesgesundheitsministerium unterstützt in einer Stellungnahme zentrale Punkte des im Januar vorgelegten Methodenpapiers wie die indikationsbezogene Nutzenbewertung und die Effizienzgrenzen. "Das ist für uns ein sehr wichtiges Signal", sagt Institutsleiter Professor Peter Sawicki der "Ärzte Zeitung". "Wenn in Zukunft der Gemeinsame Bundesausschuss auf der Basis unserer Methodik eine Richtlinienentscheidung zur Kosten-Nutzen-Bewertung fällt, wird das Ministerium dies sehr wahrscheinlich nicht beanstanden."

Auf Basis der gesetzlichen Regelungen sieht das Ministerium offenbar keine Alternative zu dem vom IQWiG vorgelegten Konzept. So gibt es der vorgeschlagenen Effizienzgrenze den Vorzug gegenüber den von deutschen Gesundheitsökonomen geforderten Schwellenwerten nach dem Vorbild der QALY (quality adjusted life years).

Erstattungsobergrenzen sind mit dem Gesetz nicht vereinbar

"Der Ansatz, Arzneimittel mit Kosten oberhalb eines festgesetzten, einheitlichen Schwellenwerts von der Leistungspflicht auszuschließen, ist mit der gesetzlichen Regelung in Deutschland unvereinbar", heißt es in der Stellungnahme. Stattdessen müsse für innovative Arzneimittel ein fairer Preis ermittelt werden, der dem therapeutischen Mehrwert entspreche.

Nach Ansicht der Gesundheitsökonomen schreiben Effizienzgrenzen die vorhandenen Preisstrukturen in unterschiedlichen Segmenten fest und erschweren so innovativen Medikamenten bei einem niedrigen Preisniveau den Markteintritt. Das Konzept bilde tatsächlich die bestehenden Kosten-Nutzen-Verhältnisse im Markt ab, schreibt das Ministerium. Aber: "Die Befürchtung, dass die Kosten innovativer Arzneimittel dann nicht mehr finanziert werden, ist unbegründet." Es sei ausdrücklich vorgesehen, dass Hersteller mindestens die Forschungs- und Entwicklungskosten geltend machen können.

"Die Politik hat sich bewusst gegen eine Erstattungsobergrenze entschieden", sagt Sawicki. Niemand anderes könne aber festlegen, wie viel das Leben die Solidargemeinschaft kosten dürfe. "Das können und wollen wir als Wissenschaftler nicht leisten", betont der Mediziner.

IQWiG will Kranke nicht gegeneinander ausspielen

Auch für den indikationsspezifischen Ansatz des IQWiG gebe es einen klaren gesetzlichen Auftrag. "Wir müssen Arzneimittel dort beurteilen, wo sie eingesetzt werden", sagt Sawicki. "Es wäre fatal, wenn wir die Kranken gegeneinander ausspielen würden." Das Ministerium verweist darauf, dass sich nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin der Nutzen von Arzneimitteln nur bezogen auf das gleiche Anwendungsgebiet vergleichen lasse. Ein Medikament könne in unterschiedlichen Anwendungsbereichen einen unterschiedlichen Nutzen haben. "Maßgebend für die Verordnungsentscheidung des Arztes kann nur sein, ob das Arzneimittel zur Erreichung des Therapieziels, das heißt im jeweiligen Anwendungsgebiet, zweckmäßig und wirtschaftlich ist."

Auch das IQWiG-Kuratorium unterstützt in einer Stellungnahme den indikationsspezifischen Ansatz. Die 30 Mitglieder des Gremiums - darunter Vertreter von Patienten, Ärzten, Pharmaindustrie, Kirchen und Krankenkassen - beraten das IQWiG. Sie sehen aber die vorgeschlagene Konzentration auf den Blickwinkel der gesetzlichen Krankenversicherung skeptisch. "Das Kuratorium plädiert grundsätzlich für eine gesamtgesellschaftliche Perspektive." Mit Blick auf die geforderte Evidenz des medizinischen Nutzens merkt das Gremium an, "dass die Datenlage zur Einschätzung patientenrelevanter Endpunkte auch bei niedriger Evidenz nicht automatisch dazu führen darf, dass der Nutzen einer Methode als gering eingestuft wird".

Das IQWiG bleibe offen für Kritik, betont Sawicki. "Natürlich ist unser Vorschlag nicht perfekt. Wie könnte er das auch sein?" Im September wird das IQWiG eine neue Version des Methodenpapierentwurfs veröffentlichen, bei der es vor allem um sprachliche Klarstellungen geht. Die 45 Stellungnahmen zur Version 1.0 vom Januar 2008 werden in die Version 2.0 einfließen. Sie wird fertig gestellt, wenn die Machbarkeitsstudien zur vorgeschlagenen Methodik ausgewertet sind. Der komplett überarbeitete Entwurf soll im ersten Quartal 2009 veröffentlicht werden.

STICHWORT

Methodenpapier

Das IQWIG hat in diesem Januar einen ersten Entwurf für die Methodik der Kosten-Nutzen-Bewertung zur Diskussion gestellt. Dazu trafen insgesamt 45 Stellungnahmen verschiedenster Absender ein. Das vom Institut vorgeschlagene Konzept der Effizienzgrenzen ist zum Teil auf heftige Kritik gestoßen, insbesondere bei Fachgesellschaften, Arzneimittel-Herstellern und -Verbänden.

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