Die "Ärzte Zeitung" sprach mit Arthur J. Higgins, dem Präsidenten des europäischen Pharmaverbandes EFPIA, über den Zugang von Patienten zu Gesundheitsinformationen.

Ärzte Zeitung: Mr. Higgins, damit hätten wir nicht gerechnet, dass die Pharmaindustrie weniger Freiheiten haben möchte, als die EU-Kommission ihr zugestehen will. Warum sind Sie so bescheiden? Was spricht dagegen, dass die Industrie Patienten über ihre verschreibungspflichtigen Arzneien in gedruckten Publikumsmedien, im Radio und im TV informiert? Es geht schließlich um Information, Werbung soll ja weiterhin verboten bleiben.

Arthur J. Higgins: Die Europäische Kommission hat in ihrer Analyse festgestellt, dass beim Zugang der Patienten in der EU zu Gesundheitsinformationen - einschließlich Informationen über verschreibungspflichtige Arzneimittel - große Unterschiede bestehen, sowohl zwischen Bevölkerungsgruppen als auch zwischen einzelnen Mitgliedsstaaten. Wir wollen dazu beitragen, die bestehenden Informationslücken zu verkleinern.

Arthur J. Higgins ist seit 1. Juli 2004 Vorsitzender des Bayer HealthCare Executive Committee und seit 1. Januar 2006 Vorstandsvorsitzender der Bayer HealthCare AG. Der gebürtige Schotte wurde im Mai 2007 zum Präsidenten des Europäischen Pharmaverbandes EFPIA ernannt.

Arthur J. Higgins ist seit 1. Juli 2004 Vorsitzender des Bayer HealthCare Executive Committee und seit 1. Januar 2006 Vorstandsvorsitzender der Bayer HealthCare AG. Der gebürtige Schotte wurde im Mai 2007 zum Präsidenten des Europäischen Pharmaverbandes EFPIA ernannt.

© Foto: Bayer HealthCare AG

Den Pharmaunternehmen ist es aber, wie die Kommission ebenfalls festgestellt hat, weitgehend verwehrt, selbst behördlich autorisierte Arzneimittelinformationen an Bürger und Patienten zu kommunizieren. Dabei sind wir uns mit den meisten Beteiligten einig, dass direkte Verbraucherwerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel wie sie in den USA praktiziert wird, kein geeignetes Modell ist, um den Bedürfnissen der Bürger in Europa gerecht zu werden. Wir halten die klassischen Massenmedien auch nicht für die geeigneten Medien, um Informationen über spezifische verschreibungspflichtige Arzneimittel zu verbreiten.

Unsere Vorschläge sind auf dem Tisch. Jetzt sehen wir einem Dialog mit politischen Entscheidern in der EU und den Interessengruppen entgegen, um eine Lösung zu finden, die den Bürgern und Patienten in Europa den größten Nutzen bringt.

Ärzte Zeitung: Sollen Patienten also nur Informationen auf Anforderung erhalten?

Higgins: Zunächst einmal meinen wir, dass sich Informationen, die ein Unternehmen aktiv, also ohne Aufforderung an die Öffentlichkeit verbreitet, auf allgemeine Informationen über Krankheiten beschränken soll, ohne dass dabei ein bestimmtes Arzneimittel genannt wird.

Unternehmen sollte es jedoch gestattet sein, Information von hoher Qualität über Krankheiten und Arzneimittel zu verbreiten, wenn die Bürger aktiv danach fragen, etwa über das Internet oder als Teil eines Programms, um die Therapietreue zu steigern. Wir stimmen mit der Kommission darin überein, dass auch arzneimittelbezogene Informationen etwa über Studien verbreitet werden können, über die Prävention von Krankheiten oder über Therapie begleitende Maßnahmen.

Dafür sollten Qualitätskriterien definiert und eingehalten werden. Die EFPIA ist von dem Konzept der Health Literacy, der Gesundheitskompetenz von Bürgern und Patienten überzeugt. Wir Arzneimittelhersteller haben ein Interesse daran, das Verständnis für unsere Therapeutika in der Öffentlichkeit zu erhöhen. Und schließlich sollte die Information auch verständlich formuliert sein, um eine effizientere Anwendung der Therapeutika und eine effizientere Verwendung der Ressourcen im Gesundheitswesen zu gewährleisten.

Ärzte Zeitung: Wie soll überprüft werden, dass das, was an die Patienten auf Anforderung herausgeht, ethischen Standards entspricht? Skeptiker könnten einwenden, dass sich diese eher personale Kommunikation noch stärker als die öffentliche einer Überprüfung durch die Marketing-Selbstkontrolle entzieht. Was sagen Sie denen?

Higgins: Wir schlagen eine strenge Kontrolle und Überwachung durch einen europaweit geltenden Verhaltenskodex der Industrie für Gesundheitsinformationen vor, der wirkungsvolle Verfahren zur Qualitätsprüfung einschließt und Kontrollmechanismen vorsieht, an denen auch unabhängige Dritte beteiligt sind. Zudem sollte die von den Unternehmen verbreitete Produktinformation auf bereits genehmigten Dokumenten wie der Zusammenfassung der Produktmerkmale, also der Fachinformation oder dem Beipackzettel basieren.

Ärzte Zeitung: Inwieweit können Sie sich vorstellen, dass Ärzte in Sachen verschreibungspflichtige Arzneien mit Unterstützung der Industrie stärker als Informationsvermittler an die Patienten in Erscheinung treten?

Higgins: Die Arzt-Patienten-Beziehung ist entscheidend für den Therapieerfolg. Unsere gemeinsamen Anstrengungen sollten darauf zielen, eine bessere Umgebung für eine Verständigung zwischen Ärzten und Patienten zu schaffen, die zu besseren Therapieergebnissen, einem besseren Einsatz der Ressourcen und letztlich zu einer gesünderen Gesellschaft führt.

Das Ziel der Debatte über Patienteninformationen ist es doch, jedem Patienten und Bürger die Chance zu geben, gut informiert zu sein und ihn zu befähigen, die Verantwortung für seine Gesundheit wahrzunehmen. Alle Beteiligten haben eine wichtige Rolle dabei zu spielen. Wir stimmen alle darin überein, dass wir gesundheitsbewusste Bürger brauchen und mehr Therapietreue.

Das Gespräch führte Bertold Schmitt-Feuerbach

Arthur J. Higgins

ist seit 1. Juli 2004 Vorsitzender des Bayer HealthCare Executive Committee und seit 1. Januar 2006 Vorstandsvorsitzender der Bayer HealthCare AG. Der gebürtige Schotte wurde im Mai 2007 zum Präsidenten des Europäischen Pharmaverbandes EFPIA ernannt.

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