Der informierte Patient ist Realität - und die meisten Ärzte kommen damit klar

Ganz zaghaft versucht die EU, Patienten besseren Zugang zu Arzneimittelinformationen zu verschaffen, die vom Hersteller kommen. Die nationalen Regierungen und Standesorganisationen treten auf die Bremse - Bürger und Patienten sind verärgert.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

Niemand im alten Europa denkt daran, US-amerikanische Verhältnisse zu schaffen und den Arzneimittelherstellern zu erlauben, für verschreibungspflichtige Medikamente direkt bei Patienten zu werben. Aber die gegenwärtig existierende Informationssperre zwischen Hersteller und Publikum soll vorsichtig gelockert werden.

Doch solche Pläne stoßen auf Bedenken bei nationalen Gesetzgebern, bei Verbraucherschützern und auch bei der Bundesärztekammer.

Dass es derzeit nicht nur ein Werbe-, sondern ein Informationsverbot der Arzneimittelhersteller gibt und dass Informationen über rezeptpflichtige Arzneien auf die Fachkreise beschränkt sein müssen, ist im Publikum durchweg nicht bekannt. Zwei Drittel der Bürger und Patienten finden das unverständlich, hat eine Repräsentativumfrage der Prognos AG ergeben. Die Prüfung, die Arzneimittelhersteller bei der Abfrage von Informationen machen müssen - ob der Abfragende ein Arzt oder anderer Heilberufler ist -, bewerten Patienten als Informationsverweigerung, für die sie den Hersteller und nicht den Gesetzgeber verantwortlich machen.

Prognos hat das Informations-Suchverhalten von Patienten in Deutschland im Auftrag des US-Verbandes der forschenden Arzneimittelhersteller untersucht und ist dabei zu überraschenden Ergebnissen gekommen. Danach nutzen 80 Prozent der Patienten inzwischen das Internet als Quelle für Informationen über ihre Krankheit. Es gibt präzise Vorstellungen darüber, was die Qualität einer Quelle ausmacht: Erkennbarkeit des Absenders, Vertrauenswürdigkeit, Aktualität, Verständlichkeit, Vollständigkeit, einfache Suche.

Pluralität der Quellen: Das ist ein hoher Wert für Patienten.

Patienten gehen bei der Informationssuche problemorientiert vor und nicht nach Institutionen. Generell nutzen sie verschiedene Quellen. Kommerzielle Firmen wie Netdoctor und Onmeda haben nach Feststellungen von Prognos ihre Seiten für Suchmaschinen wie Google optimiert - das IQWiG und das Robert-Koch-Institut haben dies bislang nicht geschafft.

Eines ist klar: Auch für den informierten Patienten bleibt der Arzt die wichtigste Informationsquelle. Das gilt für 95 Prozent der Befragten. Zusätzliche Informationen, die sich Patienten beschaffen, dienen als Ergänzung, als Rückversicherung oder zur Klärung spezieller Fragen, die in der Kürze des Arztbesuchs nicht beantwortet werden konnten. Gut die Hälfte der Patienten nutzt Informationen als Anregung für ein erneutes Gespräch mit dem Arzt.

Die Ärzte reagieren darauf überwiegend konstruktiv - sie setzen sich mit dem Patienten auseinander. Nur knapp ein Fünftel der Ärzte interessiert sich nicht dafür. Aber immerhin jeder sechste Arzt nutzt Informationen, die sein Patient beibringt, direkt für die weitere Behandlung.

Die abschließende Bewertung der Umfrage durch Prognos: "Ärzte spielen für das Informationsmanagement der Patienten eine zentrale Rolle. Eine große Mehrheit der Patienten hat mit den Ärzten über die Informationen gesprochen. Die Ärzte reagieren positiv und übernehmen die Einordnung und Bewertung der Informationen."

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