Arzneimittel-Reform

AMNOG ist durch: Echte Innovation oder doch nur Mogelpackung?

Mit dem AMNOG passiert die erste große Gesundheitsreform von Schwarz-Gelb das Parlament. Erstmals würden Arzneipreise fair zustande kommen, lobt sich die Koalition. Die Opposition spricht von einer "Mogelpackung".

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Mit ihrer Arzneimittelreform will die Koalition die Arzneikosten im Zaum halten.

Mit ihrer Arzneimittelreform will die Koalition die Arzneikosten im Zaum halten.

© Tobias Kaltenbach / fotolia.com

BERLIN (hom/sun). Der Bundestag hat am Donnerstag grünes Licht für die umstrittene Reform des Arzneimittelmarktes (AMNOG) gegeben. Union und FDP stimmten dem Gesetz zu, die Opposition votierte geschlossen dagegen.

Das AMNOG sieht vor, dass Hersteller innerhalb einer bestimmten Frist den Nutzen seines Präparates in Form von Dossiers belegen muss. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss für ein Arzneimittel keinen Zusatznutzen fest, wird es direkt in das Festbetragssystem überführt. Künftig wird es zudem verpflichtende Verhandlungen zwischen Herstellern neuer Wirkstoffe und GKV-Spitzenverband über einen Erstattungsbetrag geben.

Auch bei den Orphan Drugs - den Medikamenten, die bei seltenen Erkrankungen eingesetzt werden - wird ein Nutzenbeleg zu erbringen sein, wenn der Hersteller mit dem Medikament mehr als 50 Millionen Euro Umsatz im Jahr erwirtschaftet.

Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) sagte, mit der Reform werde "das bisherige Preismonopol der Pharmaindustrie" durch "Etablierung eines neuen, wettbewerblichen und damit fairen Preisfindungsverfahrens" gebrochen. Hersteller und Krankenkassen würden in Zukunft über Preise für neue Medikamente verhandeln. Das sei ein Novum, zu dem Vorgängerregierungen nicht in der Lage gewesen seien.

CSU-Gesundheitsexperte Johannes Singhammer sprach von einem "guten Tag für 80 Millionen Versicherte". Durch das Arznei-Sparpaket werde für alle "mehr Transparenz und Klarheit" geschaffen. Profitieren würden gesetzliche Kassen wie auch Privatversicherer. Der Koalition ein Einknicken vor der Pharmalobby vorzuwerfen, entbehre jeder Grundlage. "Wer das tut, der leidet an Gehirnschwurbel."

Vertreter der Opposition bezeichneten die Reform als "großen Etikettenschwindel" und "Mogelpackung". Das Gesetz trage weder dazu bei, die Arzneimittelkosten zu begrenzen, noch die Qualität der Versorgung zu verbessern, kritisierte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach.

"Brauchbar" sei zwar die Erhöhung des Herstellerrabatts auf 16 Prozent. Die Industrie werde die Einsparungen, die der erhöhte Rabatt bringen soll, durch die Umstellung auf teurere Medikamente aber zunichte machen, so Lauterbach. Das Gesetz enthalte keine einzige Regelung, die dazu führe, dass in der Therapie nur die Medikamente eingesetzt würden, die "richtig" seien und dem Patienten etwas brächten.

"Dieses Gesetz hat keinen einzigen Aspekt des Verbraucherschutzes." Auch die Nutzenbewertung laufe ins Leere, da die dafür nötigen Studien von der Industrie kämen und nicht von denen, die über den Zusatznutzen entschieden.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie erklärte, die Reform werde "schwerwiegende Auswirkungen auf die Forschung im Arzneimittelbereich" haben.

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