IQWIG fordert mehr Forschung aus Sicht der Patienten

Die Forschungslandschaft in Deutschland blüht - allerdings wird bei Innovationen zu selten die Sicht des Patienten berücksichtigt, kritisiert das IQWIG.

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IQWiG in Köln: Die Sichtweise von Patienten muss bei der Forschung mehr berücksichtigt werden.

IQWiG in Köln: Die Sichtweise von Patienten muss bei der Forschung mehr berücksichtigt werden.

© IQWiG

ESSEN (iss). In Deutschland stehen Grundlagenforschung, klinische Forschung und Versorgungsforschung in einem Missverhältnis. Würden sich die Gewichte mehr in Richtung der patientennäheren Forschung verschieben, würde davon auch die Nutzenbewertung profitieren, glaubt Professor Jürgen Windeler, der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

"Wir haben eine ausgesprochen gut funktionierende Forschungslandschaft. Aber diejenigen, die Innovationen entwickeln, kümmern sich zu wenig darum, wie sie in der Versorgung untergebracht werden können", so Windeler auf dem "Gesundheitskongress des Westens" in Essen.

Innovationen an sich seien kein medizinischer Wert, betonte er. Bei der Bewertung des medizinischen Nutzens von Arzneimitteln oder anderen medizinischen Maßnahmen müsse immer die Sichtweise des Patienten eingenommen werden. "Die zentrale Frage ist: Was hat der Patient davon?"

Vergleichende prospektive Interventionsstudien seien die Grundlage für die Nutzenbewertung beim IQWiG und vergleichbaren internationalen Organisationen. Windeler beklagte die häufig schlechte Studienqualität.

"Wenn es die beste Evidenz nicht gibt, würden wir uns auch auf die zweitbeste Evidenz stützen, aber wir haben meist nur die fünftbeste." Viele nicht-randomisierte Studien seien methodisch viel schlechter, als sie sein dürften und sein müssten, sagte er. "Das ist eine Frage des Aufwands."

Es sei nicht einfach, das, was als Innovation identifiziert wurde, auch in die Versorgung zu bringen, sagte Dr. Lutz Altenhofen, Leiter des DMP-Projektbüros beim Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung. "Wir müssen sehen, was in der Praxis funktioniert und was nicht."

Zu den Disease Management Programmen gebe es zwar eine Fülle an Daten, aber noch zu wenig wissenschaftlichen Hintergrund. So sei die Frage noch nicht geklärt, ob die Patienten von den in den DMP festgelegten Qualitätszielen profitieren. "Da müssen wir noch dringend nachlegen", sagte Altenhofen.

Nach Einschätzung von Cornelia Prüfer-Storcks - beim Kongress noch stellvertretende Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland/Hamburg, inzwischen Gesundheitssenatorin in Hamburg - ist die Innovationsdebatte zu einseitig ausgerichtet.

"Wir sprechen zu viel über Produktinnovationen und zu wenig über Prozessinnovationen", sagte sie. Für die Krankenkassen seien die Bedingungen rigider geworden, unter denen sie neue Strukturen wie die DMP oder die integrierte Versorgung erproben können, kritisierte Prüfer-Storcks.

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