Experten uneins über ein Gesetz für Biobanken
Das Gendiagnostikgesetz regelt den Umgang mit sensiblen Daten etwa in der Arztpraxis, spart aber die Forschung aus. Ein Biobanken-Gesetz könnte das ändern.
Veröffentlicht:BERLIN. Eigene gesetzliche Regeln für Humanbiobanken sind unter Experten umstritten. Unter Biobanken versteht man Sammlungen von biologischem Material wie DNA, Gewebe, Zellen, Blut oder anderen Körperflüssigkeiten.
Der Bundesforschungsausschuss hat am Mittwoch Sachverständige zu einer Anhörung eingeladen. Hintergrund ist, dass im Gendiagnostikgesetz, das im Februar 2010 in Kraft getreten ist, auf Wunsch von Union und FDP der Umgang vor allem mit pharmakogenetischen Daten in der Forschung nicht eigens geregelt worden ist.
Aktuell liegen im Bundestag zwei Anträge von SPD und Grünen vor. Darin regt die SPD eine ergebnisoffene Debatte darüber an, ob es ein eigenes Gesetz für Biobanken braucht. Der Grünen-Vorschlag hingegen sieht dezidierte Regeln vor: Daten dürfen nur mit strikter Zweckbindung gesammelt werden und sollen, wo immer möglich, anonymisiert werden.
Zudem müssen Proben und Daten nach Erreichen des Forschungsziels vernichtet werden. Diese Standards sollen zudem auch für den Datenaustausch mit Forschern im Ausland gelten.
Für Joachim Reischl von Bayer Healthcare ist die Sache klar: Zusätzliche Regeln für das Erheben und Verarbeiten gendiagnostischer Daten in der Arzneimittelforschung seien "entbehrlich", heißt es in seiner Stellungnahme.
Das Arzneimittelgesetz und die Verordnung zu Good-Clinical-Practice (GCP) regelten den Umgang bereits "umfassend". In klinischen Prüfungen würden alle Daten pseudonymisiert, sodass sie nur vom behandelnden Arzt re-identifiziert werden könnten.
Thilo Weichert vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein betont, bei der Pseudonymisierung von Gewebeproben und Datensätzen bestünden in der Praxis "teilweise große Defizite". Ein eigenes Gesetz für Biobanken, so Weichert, würde einen "Gewinn an Rechtssicherheit für alle Beteiligten" bedeuten.
Er empfiehlt ein eigenes Gesetz für Biobanken, eine Regulierung im Rahmen des allgemeinen Datenschutzrechts hält er nicht für sinnvoll.
Heftig ist die Kritik von Peter Dabrock, der in Erlangen-Nürnberg den Lehrstuhl für Systematische Theologie inne hat. Er hält den Ansatz für falsch, Grundsätze des Datenschutzes auf Biobanken übertragen zu wollen. "Biobanken markieren gegenüber dem klassischen Datenschutz einen Paradigmenwechsel", schreibt Dabrock.
Denn Prinzipien wie Datensparsamkeit oder Zweckbindung würden von Biobanken geradezu auf den Kopf gestellt. Nicht nur Zweck eines Forschungsprojekts könne sich ändern, sondern auch die Art und Weise der Datenverarbeitung - und damit auch der Kreis der Forscher, die von den personenbezogenen Daten Kenntnis erhalten. Er wirft den Grünen vor, ihr Antrag berücksichtige "die Besonderheiten und Ziele von Biobanken nicht". Wer Biobanken als sinnvoll erachte, der müsse auch mit "ihren Leitideen konstruktiv umgehen", fordert Dabrock.
Ebenfalls skeptisch zu einem eigenen Biobanken-Gesetz äußert sich Erich Wichmann vom Institut für Epidemiologie am Helmholtz-Zentrum München. Er fürchtet, dass besonders in der universitären Forschung die Hürden für kleine, projektbezogene Datensammlungen von Doktoranden oder Habilitanden zu groß werden.
Wichmann unterstützt ausdrücklich den SPD-Antrag, in dem es heißt, eine "überhastete Regulierung" von Biobanken könne dazu führen, "dass es zu nachhaltigen Auswirkungen für den Forschungsstandort Deutschland kommt".
Die Festschreibung eines Biobanken-Geheimnisses könne vor allem die internationale Zusammenarbeit von Forschern erschweren, da es im Ausland keine vergleichbaren Schutzvorschriften gebe, warnt Wichmann.