Disput über Vergleichstherapie geht weiter

Das IQWiG sieht für Linagliptin nach der frühen Nutzenbewertung gemäß AMNOG keinen belegten Zusatznutzen. Boehringer Ingelheim und Lilly widersprechen. Der Streitpunkt: Die für Linagliptin gewählte Vergleichstherapie.

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Zwei Arzneien im Vergleich: Der Streit über die richtige Auswahl der Vergleichstherapien ist noch nicht vorbei.

Zwei Arzneien im Vergleich: Der Streit über die richtige Auswahl der Vergleichstherapien ist noch nicht vorbei.

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KÖLN/INGELHEIM/BAD HOMBURG (eb). Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat am 2. Januar die frühe Nutzenbewertung gemäß AMNOG zu Linagliptin veröffentlicht.

Aus dem Dossier lasse sich ein Zusatznutzen nicht ableiten, da der Hersteller von der Festlegung der vom G-BA benannten zweckmäßigen Vergleichstherapie abweiche und eine andere Vergleichstherapie wählt, teilt das IQWiG mit.

Die vom G-BA festgelegte zweckmäßige Vergleichstherapie unterscheidet drei Therapiesituationen:

Die Monotherapie mit Linagliptin als Ersatz für Metformin, wenn dieser Wirkstoff für die Patienten nicht verträglich ist oder wegen einer Störung der Nierenfunktion nicht eingenommen werden sollte. In Bezug auf die Monotherapie sollte Linagliptin mit einem Medikament aus der Gruppe der Sulfonylharnstoffe (Glibenclamid oder Glimepirid) verglichen werden.

Die Zweifachtherapie kombiniert Linagliptin und Metformin und ist angezeigt, wenn die Behandlung mit Metformin zur Blutzuckerkontrolle nicht ausreicht. Für die Bewertung des Zusatznutzens sollte die Zweifachtherapie mit Linagliptin verglichen werden mit der Kombination von Metformin und einem Sulfonylharnstoff (Glibenclamid oder Glimepirid).

Bei der Dreifachtherapie werden Linagliptin, Metformin und Sulfonylharnstoff kombiniert, wenn die Zweifachtherapie mit Metformin und Sulfonylharnstoffen zur Behandlung nicht ausreicht. Hier sollte ein Vergleich mit der Kombination von Insulin und Metformin vorgenommen werden.

Der pharmazeutische Unternehmer vergleiche in seinem Dossier Linagliptin für alle drei Therapiesituationen mit einem anderen Wirkstoff aus der Klasse der Gliptine (Sitagliptin) und weiche damit von der Festlegung des G-BA ab, so das IQWiG.

Aus Sicht des IQWiG habe der Hersteller diese Abweichung aber nicht ausreichend begründet. Für die Dossierbewertung sei deshalb die vom G-BA festgelegte zweckmäßige Vergleichstherapie herangezogen worden.

Boehringer Ingelheim und Lilly nehmen Stellung

Boehringer Ingelheim und Lilly halten die Bewertung für Linagliptin (Trajenta®) für nicht sachgerecht, schreiben die beiden Unternehmen in einer Stellungnahme zur IQWiG-Bewertung.

Der G-BA habe in einem Beratungsgespräch Sulfonylharnstoffe und Humaninsulin als Vergleichstherapien benannt. Ein Abweichen von dieser unverbindlichen Nennung sei jedoch zulässig sowie im Dossier ausdrücklich vorgesehen, bedarf aber einer entsprechenden Begründung. Boehringer Ingelheim und Lilly seien dieser Forderung ausführlich nachgekommen.

Die beiden Unternehmen meinen, dass ein Vergleich zwischen dem DDP-4-Inhibitor Linagliptin und Sulfonylharnstoff oder Humaninsulin nicht adäquat ist.

Denn bei der Bewertung des Nutzens sollten Arzneimittel miteinander verglichen werden, die im Therapieschema den gleichen Stellenwert haben und die gleiche Patientengruppe betreffen, heißt es in der Stellungnahme.

Vorbereitung auf die Anhörung beim G-BA

Der Einsatz von DPP-4-Inhibitoren werde von nationalen und internationalen Leitlinien sowie den Therapiehinweisen des G-BA bei den Patienten empfohlen, die Gegenanzeigen oder Unverträglichkeiten gegenüber anderen oralen Antidiabetika (unter anderem Sulfonylharnstoffe) haben oder bei denen mit diesen Arzneimitteln keine adäquate Blutzuckerkontrolle erreicht wird.

Demnach kämen allein DPP-4-Inhibitoren als zweckmäßige Vergleichstherapie für Lina gliptin in Frage.

Boehringer Ingelheim und Lilly bereiten sich nun auf die schriftliche Stellungnahme und die Anhörung beim G-BA vor, der innerhalb der nächsten drei Monate auf Basis der ihm vorliegenden Informationen einen Beschluss über den Zusatznutzen von Linagliptin fassen wird.

Dieser Beschluss ist dann die Grundlage für die sich anschließende Verhandlung der Erstattungsbeträge mit dem GKV-Spitzenverband.

Zulassung von Linagliptin im vergangenen Sommer

Die Europäische Kommission hatte Linagliptin im August 2011 zugelassen. Boehringer Ingelheim und Lilly kündigten dann Anfang September 2011 an, das Mittel zwar in Deutschland in Verkehr bringen, es den Patienten aber nicht zur Verfügung stellen.

Dem Antidiabetikum drohe ein Erstattungsbetrag, der dem Innovationscharakter nicht angemessen sei, so die Begründung der Unternehmen.

Im Vergleich zu einer Marktrücknahme erst nach Abschluss des Prozesses habe die gewählte Option den Vorteil, dass keine Patienten auf das Produkt eingestellt würden, denen man es später vorenthalten müsse, erklärte eine Sprecherin von Boehringer Ingelheim.

"Wir können, wenn überhaupt, das neue Antidiabetikum in Deutschland erst zur Verfügung stellen, wenn mehr Transparenz bezüglich des Ausgangs des AMNOG-Prozesses besteht", hatte Boehringer-Deutschlandchef Dr. Engelbert Günster im September 2011 angekündigt.

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