Anwendungsbeobachtung

Schwarz-Gelb will die totale Transparenz

Die schwarz-gelbe Koalition zieht weiter gegen Korruption im Gesundheitswesen zu Felde. Jetzt knöpft sie sich die Anwendungsbeobachtungen von Arzneien in Arztpraxen vor. Selbst die Industrie findet den Vorschlag gut.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Nur Fragebögen ausfüllen oder angewandte Wissenschaft? Anwendungsbeobachtungen sind umstritten.

Nur Fragebögen ausfüllen oder angewandte Wissenschaft? Anwendungsbeobachtungen sind umstritten.

© Petrik / fotolia.com

BERLIN. Die Regierungskoalition will per Gesetz für mehr Transparenz bei Anwendungsbeobachtungen (AWB) sorgen. Künftig sollen zwingend die an jeden teilnehmenden Arzt fließenden tatsächlichen Vergütungen gemeldet werden.

Dies geht aus einem Änderungsantrag zum Arzneimittelgesetz (AMG) hervor, der der "Ärzte Zeitung" vorliegt. Damit will die Koalition Ausweichmanöver mancher Pharmaunternehmen wie das Aufstocken der Vergütungen nach der offiziellen Meldung erschweren.

Eine weitreichende Änderung der Gesetzeslage ergibt sich durch die völlig neue Verpflichtung der Pharmaunternehmen, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), der KBV, dem GKV-Spitzenverband und der privaten Assekuranz zusätzlich zu den Arztdaten und den Zahlungsströmen auch den Aufwand für den Arzt und die Angemessenheit der Entschädigung zu begründen.

Diese Vorschrift soll es der Bundesbehörde und den Berufsverbänden ermöglichen "die Angemessenheit der Zahlungen (...) einfacher und schneller nachzuvollziehen".

vfa findet Vorschlag akzeptabel

Wird der Antrag Gesetz, sollen die Unternehmen jede Veränderung per E-Mail anzeigen müssen. Die Übermittlung per gelber Post, die manche Unternehmen nach wie vor nutzen, soll nicht mehr möglich sein.

"Die zusätzlichen Transparenzpflichten sind für uns akzeptabel", sagte Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer Forschung des Verbandes der forschenden Pharmahersteller (vfa) am Dienstag der "Ärzte Zeitung".

In den Begründungspflichten sieht er etwas Gutes. Die geforderten Erläuterungen würden in vielen Fällen deutlich machen, wie arbeitsintensiv die Mitwirkung an Anwendungsbeobachtungen und anderen nicht-interventionellen Studien seien, sagte Throm.

Firmen sollten aber nicht gezwungen werden, diese Daten auch rückwirkend für abgeschlossene oder laufende Studien nachliefern zu müssen.

Die Verschärfung der Transparenzpflichten trifft bei den Ärzten den richtigen Nerv. Sowohl die KBV als auch die Bundesärztekammer hatten in der jüngeren Vergangenheit mehr Transparenz bei den AWB gefordert.

Die Pharmaindustrie selbst hatte im Januar angekündigt, ab 2016 freiwillig und europaweit alle Zuwendungen an Ärzte offenzulegen.

Spahn verlangt Angemessenheit

Ein Ziel des Koalitionsvorstoßes ist die Entlastung der gesetzlichen und privaten Krankenkassen. Ob der GKV ein Schaden entsteht und wie hoch dieser sein könnte, ist derzeit unklar.

"Mehr Transparenz ist eine Chance für die Industrie, das Argument zu entkräften, Anwendungsbeobachtungen seien Marketinginstrumente", sagte der Pressesprecher des GKV-Spitzenverbandes, Florian Lanz, der "Ärzte Zeitung".

Die KBV weist in einer Broschüre eigens darauf hin, dass Ärzte Patienten wegen der teilnahme an einer AWB nicht auf ein anderes Medikament umstellen dürften. Auch dürfe die Vergütung nicht mit der Zahl ausgefüllter Fragebögen steigen.

Was sich die Pharmaindustrie die AWB kosten lässt, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Transparency International schätzte 2012 den Aufwand auf jährlich knapp unter einer Milliarde Euro.

Für den gesundheitspolitischen Sprecher der Unionsfraktion Jens Spahn (CDU) sind Anwendungsbeobachtungen ein Mittel, die Wirksamkeit von Medikamenten zu testen.

"Es muss aber nachvollziehbar sein, ob die Bezahlung der Pharmaindustrie an Ärzte auch angemessen ist," sagte Spahn. Bislang ist vorgesehen, dass die Änderung des Arzneimittelgesetzes im Oktober 2013 in Kraft treten soll.

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