Dritte Welt

Minilabor gegen Arzneimittelfälschung

In Darmstadt werden Pharmazeuten aus Angola fit gemacht, um mithilfe von speziellen Minilabors skrupellosen Medikamentenfälschern das Handwerk zu legen.

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:
Dr. Richard Jähnke (l.) erläutert Pharmazeutinnen aus Angola den Umgang mit dem mobilen Koffer-Labor.

Dr. Richard Jähnke (l.) erläutert Pharmazeutinnen aus Angola den Umgang mit dem mobilen Koffer-Labor.

© Schiner

DARMSTADT. Bis zu 30 Prozent aller Medikamente in Entwicklungsländern sind gefälscht oder von minderwertiger Qualität. Der von der Merck KgA getragene "Global Pharma Health Fund", kurz GPHF, trägt dazu bei, dass Fälschungen entdeckt werden und leistet Hilfe zur Selbsthilfe.

Sechs Pharmazeuten stehen bei Merck in Darmstadt im Labor und untersuchen Malaria-Medikamente auf ihre Wirksamkeit. Sie sind aus Angola gekommen, um sich zeigen zu lassen, wie das geht. Dr. Richard Jähnke, Pharmazeut und GPHF-Projektleiter, beantwortet ihre Fragen und leitet sie an. Zurück in Afrika, sollen sie für die dortigen Gesundheitsbehörden Arzneimittelinspektionen und Kontrollen machen.

Da es in Angola an gut ausgestatteten Laboren und Prüfkapazitäten fehlt, kommen insgesamt zwölf mobile Laboreinheiten (GPHF-Minilab®) zum Einsatz. Zehn hat der angolanische Gesundheitsminister geordert, zwei hat ihm das GPHF auf seine Bitte hin kostenlos zur Verfügung gestellt.

Analysen ohne Stromanschluss

Die GPHF-Minilabs® bestehen aus zwei dickschaligen Koffern, die alle notwendigen Labormaterialien, Chemikalien und Sekundärstandards enthalten, um etwa 1000 Analysen machen zu können.

Die Materialkosten liegen pro Test bei etwa zwei Euro. "Zur Not sind die Analysen auch ohne Stromanschluss möglich", sagt Jähnke. Mehr als 60 Wirkstoffe können mithilfe der mobilen Labore identifiziert werden.

Im Fokus stehen Medikamente zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten wie Antibiotika, Anti-Malariamittel, Arzneimittel gegen Aids, Anti-Tuberkulotika, Virustatika, Anti-Mykotika und Entwurmungsmittel.

Gefälschte Medikamente sind in Afrika ein großes Problem. Erst Mitte Juli sind von den Zollbehörden innerhalb von genau zehn Tagen in 23 afrikanischen Häfen mehr als 550 Millionen Dosen illegaler und potenziell gesundheitsgefährdende Arzneimittel beschlagnahmt worden.

Der Marktwert der Medikamente, darunter waren Antibiotika, Schmerzmittel und Diabetika, belief sich auf 275 Millionen US-Dollar.

In Angola sollen die Mini-Labore vor allem in Häfen, Flughäfen und an Grenzübergängen zu Nachbarstaaten zum Einsatz kommen. Die Gesundheitsbehörden haben vor, Fälschern das Leben schwer zu machen.

Ein Teil der angolanischen Pharmazeuten, die bei Merck angelernt werden, hat in Deutschland studiert. Die Arbeit im Labor ist ihnen also nicht fremd.

Dies sei nicht immer so, sagt Jähnke. Beim Thema Labor gebe es in Afrika in der Ausbildung von Apothekern oft große Lücken. Alle Arbeitsschritte, die zu den Tests der mobilen Labore gehören, sind deshalb auch in bebilderten Handbüchern dokumentiert.

Jähnke selbst ist mehrmals im Jahr in Entwicklungsländern unterwegs, um die Funktionen des Minilabs zu erklären, Mitarbeiter zu schulen und zu motivieren, damit sie eigene Tests entwickeln, um Fälschern auf die Spur zu kommen. "Leider geschieht dies eher selten", bedauert er.

600 Labore weltweit im Einsatz

Ende der neunziger Jahre wurde der erste Koffer auf die Philippinen geflogen. Mittlerweile sind mehr als 600 mobile Labore des GPHF in 80 Ländern weltweit im Einsatz. Ein Minilabor kostet etwa 3800 Euro plus Transportkosten.

2012 sind insgesamt 100 Minilabors ausgeliefert worden - davon gingen 40 nach Vietnam. "An manchen Orten ist es sogar gelungen, die Labors zu Netzwerken zusammenzuschließen, die die Arzneimittelqualität in der Fläche überwachen", heißt es beim GPHF.

Die Tests werden ständig erweitert. Bald sollen nicht nur Tabletten und Kapseln überprüft werden können, sondern auch Pulver für Infektionslösungen. "Fälscher gehen mit dem Trend", erklärt Jähnke. Längst seien sie in der Lage, auch kombinierte Malaria-Mittel nachzuahmen.

Doch auch in diesem Bereich verzeichnen die mobilen Labors Erfolge: Vor einigen Monaten ist es einem Apotheker in Kamerun gelungen, mithilfe des Minilabors ein Kombinationspräparat als Fälschung zu identifizieren: Es enthielt keinerlei Wirkstoffe, wie eine Analyse in einem Prüflabor in Kenia bestätigte.

Jähnke empfiehlt Afrika-Reisenden, keine Malaria-Medikamente vor Ort zu kaufen. "Der Markt ist mit Fälschungen gesättigt." Nach Schätzungen von Interpol kommen in Entwicklungsländern im Durchschnitt auf 100 Arzneimittel zehn bis 30 Fälschungen.

Mal ist es nur die Verpackung, mal wird der Wirkstoff gestreckt oder er fehlt ganz. Die Zeche zahlen die Patienten, die nicht selten an den Folgen dieser Art von Medikation sterben.

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