DDR-Arzneitests

Roche öffnet Firmenarchiv

Das Pharma-Unternehmen Roche hat die Türen zu seinem Archiv weit geöffnet: Es will komplette Aufklärung in Bezug auf die DDR-Arzneimitteltests.

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Ein Krankenhausflur in der ehemaligen DDR. An einigen Kliniken wurden Arzneitests durchgeführt.

Ein Krankenhausflur in der ehemaligen DDR. An einigen Kliniken wurden Arzneitests durchgeführt.

© Sven Simon / imago

BERLIN. In der Zeit von 1980 bis 1990 haben die Unternehmen Boehringer Mannheim, Syntex Corporation und F. Hoffmann-La Roche insgesamt 46 klinischen Prüfungen an 38 Prüfungszentren in der DDR durchgeführt. Das ist das Ergebnis einer umfangreichen Archivarbeit der Firma Roche, die am Dienstag in Berlin vorgestellt worden ist.

Damit hat der Pharmakonzern als erstes großes Unternehmen Archivmaterial zu klinischen Studien in der ehemaligen DDR veröffentlicht. "Dabei war die DDR für die Studienteams stets ein Land wie jedes andere auch, inklusive dem üblichen Monitoring", sagte Studienleiter Professor Armin Scherhag von Roche.

Grund für die umfangreiche Recherche waren Medienberichte aus dem Jahr 2013. Demnach sind in der DDR Arzneitests von westdeutschen Firmen in Auftrag gegeben worden, die Probanden hätten oftmals nicht davon gewusst, dass sie an einem solchen Test teilnehmen, so der Vorwurf.

Roche will hier nun Transparenz schaffen und diesen Vorwurf entkräften. Den Ergebnissen zufolge umfassten die Studien insgesamt 7323 Patienten, aus der DDR waren 2247 Patienten einbezogen.

Die meisten klinischen Prüfungen waren offenbar bei Boehringer Mannheim angesiedelt (37 Prüfungen, 1809 Patienten), Syntex führte drei klinische Prüfungen in diesem Zeitraum mit Beteiligung von DDR-Prüfzentren durch (224 Patienten).

Bei der Firma Roche waren es sechs klinische Prüfungen und 214 Patienten. Insgesamt hat es den Ergebnissen zufolge 51 Todesfälle an den DDR-Prüfzentren gegeben. Drei davon wurden vom verantwortlichen Prüfer als möglicherweise mit dem zu prüfenden Arzneimittel in Zusammenhang gebracht. In denen von Syntex und Roche durchgeführten klinischen Prüfungen habe es keine Todesfälle gegeben, so Scherhag.

Pfundner: "Wir haben uns nichts vorzuwerfen"

Zudem sei die Deklaration von Helsinki in der DDR seit 1974 anerkannt gewesen. Sprich: Die Prüfung eines Arzneimittels oder Wirkstoffes durfte nur durchgeführt werden, wenn die Probanden nach ausreichender Aufklärung über den Ablauf der klinischen Prüfungen, mögliche Nebenwirkungen und Risiken und ihre Risiken eine Einverständniserklärung über ihre Teilnahme abgegeben hatten.

Es hätten sich keine Hinweise darauf gefunden, dass bei der Durchführung dieser klinischen Prüfungen gegen damaliges DDR-Recht oder international ethische Grundsätze verstoßen worden sei, so Scherhag.

"Wir haben uns also nichts vorzuwerfen", ergänzte Roche-Vorstand Dr. Hagen Pfundner. Gründe für die Beteilung von Prüfzentren der DDR an klinischen Prüfungen seien vor allem historisch bedingte wissenschaftliche Netzwerke gewesen, keinesfalls habe es monitäre Gründe dafür gegeben, so Pfundner.

Vielmehr habe man in der DDR auf ein gut ausgebildetes medizinische Personal und gut ausgestattete Forschungseinrichtungen zurückgreifen können. Auch die nicht vorhandene Sprachbarriere habe vermutlich eine Rolle gespielt.

Die Ergebnisse sollen in das Forschungsprojekt unter der Leitung von Professor Volker Hess an der Charité Berlin einfließen. Ziel dieses Forschungsvorhabens ist es, eine solide Grundlage für eine zeithistorische Aufarbeitung von Arzneimittelversuchen in der DDR zu schaffen. (sun)

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