Pandemie-Vorsorge

Regierung hält an Tamiflu und Co. fest

Die Grünen im Bundestag verlangen angesichts neuer enttäuschender Studienergebnisse zur Wirksamkeit von Neuraminidasehemmern einen Kurswechsel: Das Festhalten an einer weiteren Bevorratung dieser Medikamente sei "unverantwortlich". Die Regierung sieht das anders.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Mit Oseltamivir gefüllte Fässer in NRW: Daran will die Bundesregierung festhalten.

Mit Oseltamivir gefüllte Fässer in NRW: Daran will die Bundesregierung festhalten.

© Gesundheitsministerium NRW / dpa

BERLIN. Die Bundesregierung hält an der Bevorratung von zugelassenen Neuraminidasehemmern für den Fall einer Influenzaepidemie fest. Angesichts der Erfahrungen mit den schweren Epidemien im 20. Jahrhundert sei es "nicht vertretbar", auf eine Vorsorge zum Schutz der Bevölkerung gänzlich zu verzichten", heißt es in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion.

Im April haben Studienberichte, die von der Cochrane Collaboration zusammengetragen wurden, ein ernüchterndes Bild der Wirksamkeit der Wirkstoffe Oseltamivir (Tamiflu®) und Zanamivir (Relenza®) gezeichnet.

Ungeachtet dessen verweist die Regierung auf die Einschätzung der Zulassungsbehörden, die nach wie vor von einem positiven Nutzen-Risiko-Verhältnis ausgehen. So hatte etwa der Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Professor Walter Schwerdtfeger, jüngst konstatiert, dass jede Stunde verkürzte Krankheitsdauer bei Influenza aus Sicht des Infektionsschutzes sinnvoll sei.

"Im Fall einer Epidemie oder gar Pandemie schlägt die Stunde von Tamiflu und Relenza", sagte Schwerdtfeger etwa in der "Welt". "Deshalb ist es wichtig, dass die Bundesländer solche Reserven vorhalten."

Dieser Bewertungen schließt sich die Regierung an und folgert, bisher gebe es "keine den derzeit in Deutschland zugelassenen Neuraminidasehemmern überlegenen alternativen medikamentösen Therapiemaßnahmen für den Fall einer schwerwiegenden Influenzaepidemie".

Ausweichend antwortet das Bundesgesundheitsministerium auf die Frage, ob auch künftig für 20 Prozent der Bevölkerung die Medikamente vorrätig gehalten werden sollten. Man wolle die Ergebnisse des Cochrane-Reviews zusammen mit anderen Studien bei der Überarbeitung des Pandemie-Plans "berücksichtigen".

Grüne: Kosten-Nutzen-Bewertung nötig!

Für die Grünen kritisiert Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Prävention und Gesundheitswirtschaft, die Position des BMG als "unverantwortlich".

Die Regierung "drückt sich vor einer Kosten-Nutzen-Bewertung der Medikamente". Nötig sei es, den Bürgern "ehrlich zu sagen, dass bislang kein wirksames antivirales Medikament" im Falle einer Grippeepidemie existiert.

Der überarbeitete Pandemieplan wird nach Darstellung des Ministeriums ab Ende September schrittweise veröffentlicht. Derzeit aktualisiere die Arbeitsgemeinschaft Infektionsschutz (AGI) in der Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesgesundheitsbehörden Teil 1 des Pandemieplans, der sich mit dem Krisenmanagement (Maßnahmen und Handlungsempfehlungen) beschäftigt.

Der zweite Teil des Nationalen Pandemieplans wird unter Federführung des Robert Koch-Instituts (RKI) überarbeitet und in der zweiten Jahreshälfte sukzessive auf der Webseite des RKI veröffentlicht.

Was mit den vorhandenen Vorräten an Neuraminidasehemmern geschehen soll, darüber übt sich das Ministerium in beredtem Schweigen: Die Haltbarkeit der Medikamente und des Wirkstoffpulvers werde "regelmäßig geprüft", heißt es.

Die Grünen fordern, anstatt knappe Haushaltsmittel für neue Medikamente einzusetzen, solle stärker in "öffentliche Forschung" und internationale Zusammenarbeit in Fragen der Prävention pandemischer Grippeinfektionen investiert werden.

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