Schmerzen

Medikation bleibt Einstellungssache

Schmerzmediziner schlagen Alarm: Die Austauschpflicht für Opioide schadet vielen Patienten. Der GBA lässt sich Zeit damit, sie auf die Substitutionsverbotsliste zu setzen.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Opioid-Präparate - der Protest gegen die Substitution wächst.

Opioid-Präparate - der Protest gegen die Substitution wächst.

© Klaus Rose

BERLIN. Schmerztherapeuten und Patienten mit chronischen Schmerzen fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Seit Jahren fordern medizinische Fachverbände und Patientenorganisationen ein Austauschverbot für stark wirksame Opioid-Analgetika. Bislang ohne Erfolg. Und das, obwohl sich in der vergangenen Legislaturperiode sowohl der Petitionsausschuss als auch der Gesundheitsausschuss des Bundestages dafür ausgesprochen haben.

Mehr als 80 Prozent der Umstellungen erfolgten aus rein ökonomischen Gründen, sagte Birgitta Gibson, Vizepräsidentin der Deutschen Schmerzliga, am Dienstag in Berlin.

Das Problem für die verordnenden Ärzte: Sie wissen nicht, ob ihre Patienten das von ihnen für richtig erachtete Mittel in der Apotheke auch erhalten.Oder ob der Apotheker es austauschen muss, weil die Kasse des Patienten ein anderes Präparat über einen Rabattvertrag günstiger bezieht.

Für Schmerzmediziner ist dies Sparen an der falschen Stelle. Der Präsident der Deutschen Schmerzliga, Dr. Michael Überall, und Dr. Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin, haben Zahlen vorgelegt, laut denen drei Viertel aller umgestellten Patienten ihre neuen Medikamente schlechter vertragen und unter der veränderten Wirkung leiden müssen.

Bei mehr als der Hälfte der betroffenen Patienten müssten Ärzte deshalb wieder das ursprüngliche Präparat verordnen.Weil deshalb mehr Arztbesuche anfielen, die Compliance sinke und mehr Arzneipackungen in den Müll wanderten, komme dieses Prozedere die Kassen teurer als ein Austauschverbot.

Es gehe nicht in erster Linie um die Wirkstoffe (WHO-Stufe III), sondern wie sie im Zeitverlauf im Körper freigesetzt würden. Darin unterschieden sich die Schmerzmedikamente, sagte Professor Henning Blume, Mitautor der Leitlinie zur guten Substitutionspraxis der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft. Die verordnenden Ärzte sollten deshalb von den Kassen nicht unter Budgetdruck gestellt werden.

"Wir haben eine brillante Schmerzforschung. Aber ihre Erkenntnisse kommen nicht beim Patienten an", sagte Müller-Schwefe. Es gehe bei der Forderung nach der Ausnahme von der Austauschpflicht nicht um den Schutz der Hersteller von Originalpräparaten.

Jeder Präparatewechsel bei Menschen mit chronischen Schmerzen eröffne therapeutische Unsicherheiten.Der erzwungene Wechsel eines verschriebenen Opioids komme einer Neueinstellung gleich.Es seien regulatorische Gründe, die eine effektivere Versorgung verhinderten.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat am 13. Mai ein Substitutionsverbot dieser Medikamentengruppe erneut vertagt. Der Ausschuss erstellt derzeit eine Liste von Wirkstoffen, nicht Fertigarzneien, die vom Austausch ausgenommen werden sollen. Die Schmerzexperten fürchten nun, dass die Schmerzmedikamente deshalb nicht berücksichtigt würden.

Die Fachverbände haben dem GBA Unterstützung bei seinen Beratungen angeboten. Schon im März haben sie ihre Forderungen Gesundheitsminister Hermann Gröhe in einem offenen Brief vorgetragen.

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