Gröhe im Exklusiv-Interview

"Kein Staat alleine kann Antibiotika-Resistenzen aufhalten"

Am Donnerstag und Freitag treffen sich die Gesundheitsminister der G7-Staaten und WHO-Vertreter in Berlin, um ihre Strategie gegen Antibiotika-Resistenzen zu konkretisieren. Im Interview mit der "Ärzte Zeitung" erläutert Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe die Pläne.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe sieht Ärzte beim Thema Antibiotika-Resistenzen in besonderer Verantwortung.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe sieht Ärzte beim Thema Antibiotika-Resistenzen in besonderer Verantwortung.

© Pilick

Ärzte Zeitung: Angesichts der Zunahme der Antibiotika-Resistenzen wird von einem drohenden Armageddon gesprochen, Sie selbst warnen von einem Rückfall ins Vor-Penicillinzeitalter. Was konkret tut die Politik hierzulande, um Resistenzen einzudämmen? Was muss noch getan werden?

Hermann Gröhe: Die Lage ist in der Tat ernst. Wenn Antibiotika nicht mehr wirken, bricht eine tragende Säule unserer Gesundheitsversorgung weg.

Die gute Nachricht ist: Gezielte Maßnahmen wirken. Dass wir etwa bei den MRSA-Infektionen einen Rückgang verzeichnen können, ist auch ein Erfolg der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie aus dem Jahre 2008.

Jetzt muss es darum gehen, die Anstrengungen auf allen Ebenen zu verstärken - national wie international. Deshalb habe ich im Frühjahr dieses Jahres einen 10-Punkte-Plan zur Bekämpfung resistenter Erreger vorgelegt. Er sieht zum Beispiel vor, die Fortbildung von Fachpersonal im Gesundheitsbereich weiter zu verbessern und die Meldepflichten für resistente Erreger zu verschärfen.

Bundesforschungsministerin Wanka, Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt und ich sind uns aber auch einig, dass es eine gemeinsame Kraftanstrengung in der Medizin, der Tierhaltung und der Forschung braucht.

Mit der neuen Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie, die das Kabinett im Mai beschlossen hat, gehen wir hier voran und setzen das Thema gleichzeitig auf die internationale Agenda.

Hat die Gesundheitspolitik und die Politik in Deutschland allgemein Einfluss auf die internationale Dimension dieses Geschehens? Also zum Beispiel auf die Tiermast außerhalb Deutschlands und der EU, oder die Wanderungsbewegungen von zum Beispiel an TBC erkrankten Menschen.

Gröhe: Völlig klar ist: Kein Staat kann den weltweiten Anstieg von Antibiotika-Resistenzen alleine aufhalten. Denn Krankheiten machen nicht an Staatsgrenzen halt. Umso wichtiger ist es, dass wir international an einem Strang ziehen.

Deshalb war es richtig, dass die Bundeskanzlerin das Thema Antibiotika-Resistenzen zu einem Schwerpunkt der deutschen G7-Präsidentschaft gemacht hat. Beim G7-Gipfel in Elmau haben die Staats- und Regierungschefs im Juni ein starkes Zeichen zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen gesetzt und zugesagt, die Umsetzung des Globalen Aktionsplan der Weltgesundheitsorganisation voranzutreiben.

Für Donnerstag und Freitag habe ich die Gesundheitsminister der G7-Staaten nach Berlin eingeladen, um weitere gemeinsame Schritte zu besprechen. Ziel muss sein, auch international zu strikten Regeln für den Einsatz von Antibiotika und verstärkter Forschung zu kommen. Dabei wird es auch darum gehen, wie wir ärmere Partnerländer besser beim sachgerechten Einsatz von Antibiotika unterstützen können.

Welche Erwartungen hegt die Politik an die Selbstverwaltung in Bezug auf die Qualitätssicherung der Antibiotika-Verordnungen?

Gröhe: Ärzte haben eine Schlüsselrolle, wenn es um den sachgerechten Einsatz von Antibiotika geht. Deshalb ist die Aus- und Fortbildung ein ganz wichtiger Ansatzpunkt.

80 bis 90 Prozent der Antibiotika werden im ambulanten Bereich verordnet. Gemeinsam mit den Ärztekammern muss deshalb geprüft werden, wie in diesem Bereich ein noch stärkeres Bewusstsein für einen umsichtigen Antibiotika-Einsatz geschaffen werden kann.

Außerdem soll das Fortbildungsprogramm "Antibiotic Stewardship", das die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie entwickelt hat, in eine "Strukturierte Curriculare Fortbildung" der Ärztekammern überführt werden. Das wird der hohen Nachfrage besser gerecht und stellt sicher, dass alle Absolventen auch gleich gut qualifiziert sind.

Neue Antibiotika sind sehr spezifisch und haben nur geringes Absatzpotenzial im Vergleich zum generischen Standard. Wie kann die Politik dabei helfen, für solche Präparate unter den Bedingungen der frühen Nutzenbewertung vernünftige Refinanzierungsbedingungen zu schaffen? Ist das Thema des Pharma-Dialogs?

Gröhe: Durch die Zunahme von Antibiotika-Resistenzen stehen immer weniger Antibiotika für die Behandlung bakterieller Infektionen zur Verfügung. Der Bedarf an neuen Wirkstoffen ist groß.

Beim Pharma-Dialog der Bundesregierung mit der Wissenschaft und der pharmazeutischen Industrie geht es deshalb auch darum, wirksame Anreize zu setzen, um die Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika, alternativer Therapiemethoden, aber auch Schnell-Diagnostika anzukurbeln.

Dazu können schnellere Zulassungsverfahren gehören oder Partnerschaften von staatlich geförderten Forschungseinrichtungen mit pharmazeutischen Unternehmen.

Sie können bei der Grundlagenforschung, in der Wirkstoffentwicklung bis hin zur Nutzung von Patenten zusammenarbeiten. Dafür gibt es schon gute Beispiele.

Die Ausweitung einer solchen Zusammenarbeit ist wirksamer als neue staatliche Fördertöpfe. Natürlich ist dann auch wichtig sicherzustellen, dass neue Antibiotika zielgerichtet und nach strenger Indikationsprüfung eingesetzt werden.

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