Diskussion um Meldepflicht

In Kliniken spitzen sich Arzneimittelengpässe zu

Bundesärztekammer, Krankenhäuser und Kassen schlagen Alarm: In den Kliniken vergeht kein Tag, ohne dass es zu Engpässen auch bei versorgungskritischen Arzneien kommt.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Vor allem bei Lösungen für Infusionen kommt es in Kliniken häufiger zu Lieferengpässen.

Vor allem bei Lösungen für Infusionen kommt es in Kliniken häufiger zu Lieferengpässen.

© Daniel Karmann / dpa

BERLIN. Eine Pflicht für pharmazeutische Unternehmer, Lieferengpässe an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu melden, haben Vertreter der Ärzteschaft, der Krankenhausapotheker und der Krankenkassen gefordert. "Die freiwillige Meldung von Notständen an die Krankenhäuser läuft absolut schlecht", sagte der Chef der AOK-Baden-Württemberg Dr. Christopher Hermann bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in Berlin. Hermann forderte eine Transparenzoffensive, um die Versorgungslage und die Verantwortlichkeiten für Mangelsituationen zu klären. "Wer wohin wann etwas liefert, bleibt in Deutschland im Dunkeln. Das ist ein Wirrwarr erster Güte", sagte der AOK-Chef.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Professor Karl Lauterbach erteilte dem Ansinnen eine Absage. 95 Prozent der Zubereitungen gingen ohne Zwischenhandel an die Krankenhausapotheken. Zunächst müsse daher die im Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz vorgesehene Pflicht für die Unternehmen ausprobiert werden, den Krankenhäusern Lieferschwierigkeiten zu melden. Das Gesetz will der Bundestag am Donnerstag verabschieden.

Im Februar 2017 haben in den Krankenhaus-Apotheken 280 verschiedene Wirkstoffe gefehlt, darunter 30 als versorgungskritisch eingestufte Arzneien, vor allem Lösungen zur Injektion. Das hat eine aktuelle Umfrage des Bundesverbands Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) ergeben. Lediglich für acht Wirkstoffe hätten die pharmazeutischen Unternehmer Lieferschwierigkeiten angemeldet, sagte ADKA-Präsident Rudolf Bernard am Mittwoch in Berlin. Hochgerechnet seien etwa 12.000 Patienten betroffen gewesen.

Einzelne Akteure an den Pranger zu stellen, sei falsch, sagte der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Professor Wolf-Dieter Ludwig. Hersteller sollten tatsächliche und drohende Engpässe an das BfArM melden müssen. Mittelfristig sei wichtig, die Wirkstoffherstellung aus Indien und China nach Europa zurückzuholen. Die Konzentration der Grundstoffproduktion stelle alle Beteiligten vor "enorme logistische Probleme". Es sei zu beobachten, dass nicht neue und teure Onkologika von Lieferproblemen betroffen seien, sondern vor allem zum Teil seit 30 Jahren vertriebene Zytostatika.

Die Konsumenten geben der Versorgung mit Arzneien in öffentlichen Apotheken gute Noten. Eine deutliche Mehrheit von 67 Prozent empfindet die Situation als gut oder sehr gut. Das geht aus einer aktuellen Umfrage von Forsa im Auftrag der AOK-Baden-Württemberg hervor. Befragt wurden 2000 über 20-Jährige, die regelmäßig verschreibungspflichtige Arzneien benötigen.

Ursache für Marktverengungen seien auch die Rabattverträge, reagierte der Branchenverband Pro Generika. Auch bei versorgungskritischen Arzneien wie Antibiotika werde von den Kassen oft nur ein Anbieter ausgewählt.

Die arzneipolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Kathrin Vogler, forderte ein öffentliches Register für drohende und tatsächliche Lieferengpässe sowie Sanktionsmöglichkeiten gegen Pharmaunternehmen, die gegen Lieferverpflichtungen verstießen.

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