Arzneimittel

LSG-Beschluss zum Mischpreis erntet Kritik und Ratlosigkeit

Der auch für Vertragsärzte brisante Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg zum Erstattungsbetrag für Arzneimittel löst überwiegend Ratlosigkeit aus. Vorerst ist wohl keine Klarstellung des Gesetzgebers zu erwarten.

Florian StaeckVon Florian Staeck und Helmut LaschetHelmut Laschet Veröffentlicht:
Subpopulation ohne Zusatznutzen? Da kann die Verschreibung zum Regressrisiko werden.

Subpopulation ohne Zusatznutzen? Da kann die Verschreibung zum Regressrisiko werden.

© Kzenon/Fotolia.com

BERLIN. Der vorläufige Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, wonach der Erstattungsbetrag für Arzneimittel kein Mischpreis sein darf und im Fall von Subpopulationen ohne Zusatznutzen nicht die Wirtschaftlichkeit garantieren kann, ist auf scharfe Kritik der KBV und der Arzneimittelhersteller gestoßen. Die Fachpolitiker der Koalitionsfraktionen reagieren zurückhaltend.

Die LSG-Entscheidung (Az.: L 9 KR 437/16 KL ER) unterstreiche deutlich, wie berechtigt die Forderung der KBV sei, wonach vereinbarte Erstattungsbeträge für das gesamte Anwendungsgebiet gelten müssten, erklärte die KBV am Dienstag. Die Forderung sei bereits bei den Beratungen zum Arzneimittelversorgungsstärkungs-Gesetz erhoben worden, wurde aber vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen. Im Interesse betroffener Patienten und auch der Ärzte dürfe nicht die Situation entstehen, dass für Subgruppen ohne Zusatznutzen ein automatischer Verordnungsausschluss gelte.

Scharfe Kritik am LSG kommt von den Herstellerverbänden. Ohne den Mischpreis stehe für 40 Prozent der Patienten die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln zur Disposition, sagte die vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer. Die Therapiefreiheit der Ärzte würde weiter eingeschränkt, sie müssten neue Regressdrohungen fürchten.

"Katastrophal für Ärzte und Patienten", urteilt auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Er fordert wie auch der vfa eine Klarstellung durch den Gesetzgeber, dass der verhandelte oder geschiedste Erstattungsbetrag für das gesamte zugelassene Indikationsgebiet wirtschaftlich ist.

Mit einer schnellen Reaktion des Gesetzgebers ist allerdings kaum zu rechnen. Technisch könnte dies noch an ein laufendes Gesetzgebungsvorhaben angehängt werden. Ob und wie sich die Koalitionsfraktionen darauf einigen können, den gordischen Knoten zu durchschlagen, ist allerdings völlig offen. Aus der SPD-Fraktion verlautete, dass man sich angesichts des Termindrucks noch nicht eingehend mit der Materie befasst habe.

Nach Auffassung des CDU-Abgeordneten Michael Hennrich hat der Mischpreis in jüngster Zeit an Legitimation verloren, etwa durch die Wirkstoffvereinbarung in Bayern, wo die Unwirtschaftlichkeit des Mischpreises für Subgruppen ohne Zusatznutzen festgeschrieben worden sei. Möglich sei auch ein Verordnungsausschluss durch den Bundesausschuss. Andererseits: "Wir wollen definitiv nicht, dass Medikamente ohne Zusatznutzen aus der Verordnungsfähigkeit herausfallen", so Hennrich. Man wolle aber auch nicht, dass die Wirtschaftlichkeit mit dem Mischpreis pauschal festgeschrieben wird. Hennrich weist auf alternative Möglichkeiten hin: zum Beispiel die gesetzlich vorgesehene Option, Preis-Mengen-Vereinbarungen zu treffen. Eine weitere Variante seien indikationsbezogene (subgruppenspezifische) Preise, was der GKV-Spitzenverband präferieren würde und eine Folge der LSG-Rechtsprechung sein könnte.

LSG-Leitsätze

- Mischpreisbildung ist rechtswidrig, wenn der GBA bei einer von mehreren Patientengruppen einen Zusatznutzen verneint hat.

- Vom Erstattungsbetrag darf nicht auf die Wirtschaftlichkeit in allen Anwendungsbereichen geschlossen werden.

- Der GBA darf die Verordnungsfähigkeit einschränken, wenn kein Zusatznutzen erkennbar ist.

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