ARD-Spielfilm

"Gift" – ein Mix aus Fiktion und Realität

Mit einem Themenabend über gefälschte Arzneimittel präsentiert die ARD am Mittwoch einen Cocktail aus Fiktion und Annäherung an die Wirklichkeit.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet und Susanne Werner Veröffentlicht:

BERLIN. Mit einer Star-Besetzung thematisiert die ARD am Mittwochabend (20.15 Uhr) das durchaus reale Problem von Arzneimittelfälschungen – allerdings mit einer gewaltigen Überzeichnung und Verzerrung im Spielfilm wie in der Sachdarstellung.

430 Milliarden US-Dollar soll das Volumen der Arzneimittelfälschungen weltweit betragen, heißt es in der Ankündigung der ARD. Dies wären fast 40 Prozent der Welt-Arzneimittelproduktion. Quelle dieser Zahl soll die WHO sein, ohne sie genau zu benennen. An anderer Stelle wird auf "Experten" Bezug genommen, die jedes hundertste Medikament für gefälscht halten, wieder an anderer Stelle wird der Marktanteil der Fälschungen auf zehn Prozent geschätzt. Verwirrende Daten, unklare Evidenz. Aber diese Zahlen werden dem ARD-Programmdirektor Volker Herres in den Mund gelegt.

Besorgniserregend soll auch die Dynamik auf dem Markt der Fälschungen sein. Von 40 Prozent Wachstumsraten pro Jahr in Europa ist die Rede. Nachfragen der "Ärzte Zeitung" bei der ARD haben ergeben, dass sich die Prozentangaben auf die Menge sichergestellter Fälschungen durch den Zoll beziehen.

Vor diesem Hintergrund hat der Autor des Spielfilms Daniel Harrich eine blühende Phantasie entwickelt, die die Welt in schwarz und weiß einteilt: Den Goliaths der Wirtschaft – Big Pharma und Finanzindustrie, verbandelt mit korrupten Behörden und bestochener Polizei – steht David gegenüber: die in den Slums von Mumbai arbeitende Ärztin und ihr Vater, ein Pharma-Unternehmer, der sich aufgrund seiner Krebserkrankung und angesichts des nahen Todes vom Saulus zum Paulus gewandelt hat.

Schon im Vorfeld dieses Themenabends haben Pharma- und Apothekerverbände (Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie BPI, Verband forscher Pharma-Unternehmen vfa, Bundesverband der Arzneimittelhersteller BAH und Pro Generika sowie die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände ABDA) reagiert. Die Lieferkette eines Medikamentes vom Hersteller bis zur Apotheke unterliege in Deutschland strengen Kontrollen, so die Verbände am vergangenen Freitag in Berlin. Die Arzneimittelbranche sei eine der Branchen, in denen die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit eines Produktes engmaschig überprüft werde.

BAH-Referentin Dr. Daniela Allhenn verwies darauf, dass die staatlichen Arzneimittelbehörden die Produktion und den Vertrieb der Medikamente laufend kontrollierten. So entnehmen deren Mitarbeiter dazu auch selbst Proben bei den Wirkstoff-Zulieferern und überprüften die Ergebnisse im eigenen Hause. Zudem suchten Behörden wie etwa die europäische EMA oder das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) weltweit Produktionsstätten auf, um diese regelmäßig zu inspizieren. Die weitere Verarbeitung der Arznei und deren Vertrieb werden aber auch in den Pharma-Unternehmen selbst, bei den pharmazeutischen Großhändlern sowie in den Apotheken fortlaufend geprüft.

Wie vfa-Geschäftsführer Dr. Siegfried Throm betonte, müssen Pharma-Unternehmen ein System zum Qualitätsmanagement vorweisen. Danach prüften sie im eigenen Labor jede eingehende Charge auf deren Echtheit, Konzentration und Reinheit. Die Qualitätskontrollen umfassten dabei weit mehr als nur die Produkte. Sichergestellt werde beispielsweise auch, dass die Mitarbeiter entsprechend geschult seien oder die Angaben auf den Packungsbeilagen stimmten.

Wer seine Medikamente in einer Apotheke kaufe, sei sicher, erklärte Bork Bretthauer, Geschäftsführer bei Pro Generika. Bei entsprechenden Einkäufe im Internet sei die Gefahr jedoch hoch, sich gefälschte Waren einzuhandeln. Fälschungen würden insbesondere teure Medikamente oder Lifestyle-Produkte betreffen. Nach Angaben des BPI gab es im vergangenen Jahr 14 Verdachtsmeldungen auf manipulierte oder gefälschte Arzneimittel. Kein einziger Verdachtsfall habe sich jedoch bestätigt. Trotz der bereits hohen Standards soll die Sicherheit ab 2019 nochmals verbessert werden. Packungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel müssen dann einen Erstöffnungsschutz haben, damit sie nicht mehr unbemerkt geöffnet werden können. Zudem müssen die Medikamente, so Thomas Brückner vom BPI, in der Apotheke durch einen Scan geprüft werden. Über den Matrix-Code, den die Pharmafirma vergeben hat, kann ein gefälschtes Produkt sofort erkannt werden.

430

Milliarden

US-Dollar soll laut ARD unter Berufung auf die WHO der "Wert" der Fälschungen betragen. Zum Vergleich: Laut IMS beträgt der Welt-Pharmaumsatz 1,1 Billionen Dollar.

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