Nutzenbewertung

Techniker Kasse zäumt das Bestandsmarkt-Pferd neu auf

Die Techniker Krankenkasse will Ärzte bei der wirtschaftlichen Verordnung unterstützen. Ein "Bestandsmarktreport" und Rabattverträge für Originalpräparate sollen dabei helfen. Die Industrie kritisiert das AMNOG als Innovationsbremse.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Über Arzneirabattverträge will die Techniker Krankenkasse weiter steuernd eingreifen.

Über Arzneirabattverträge will die Techniker Krankenkasse weiter steuernd eingreifen.

© O.Kovach / Zoonar / Thinkstock.com

BERLIN. Die Bewertung von Arzneien aus dem Bestandsmarkt nach dem AMNOG-Verfahren ist Geschichte. Die Diskussion über den Sinn einer Nutzenbewertung für patentgeschützte Arzneimittel nicht.

Jetzt preschen das Bremer Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) und die Techniker Krankenkasse (TK) mit einem eigenen "Bestandsmarktreport" vor, in dem für bestimmte Arzneimittelgruppen an die vom Gemeinsamen Bundesausschuss abgebrochenen Bewertungsverfahren weitergeführt worden sind. Die Ergebnisse sind für die Produkte eher negativ ausgefallen.

Zurück zum Bestandsmarktaufruf will TK-Chef Dr. Jens Baas dennoch nicht. Über Rabattverträge mit Ärzten will seine Kasse weiter steuernd eingreifen, um Patienten die aus ihrer Versorgungssicht bessere Therapiealternative zukommen zu lassen.

Einen Vertrag mit Rheumatologen gebe es bereits, in dem Patienten leitliniengerecht mit Originalpräparaten behandelt würden, sagte Baas bei der Vorstellung des Bestandsmarktreports am Mittwoch in Berlin. Die Einsparungen für die Kasse lägen im dreistelligen Millionenbereich.

Nach dem Ende des Bestandsmarktaufrufs nicht mehr hinzusehen, wäre die falsche Reaktion, begründete Baas das Interesse der TK an Bestandsmedikamenten. "Die Kassen haben eine hohe Verantwortung für die Patienten." Baas bestätigte, dass bereits weitere Kassen Interesse an der TK-Strategie gezeigt hätten.

Die Nutzenbewertung nach dem AMNOG erweise sich als Innovationsbremse, reagierte die Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Arzneimittelhersteller, Birgit Fischer. Es sei eine Tatsache, dass Medikamente trotz festgestellten Zusatznutzens nicht in dem Maße in der Versorgung ankämen, wie es notwendig wäre, um Patienten optimal zu behandeln, sagte Fischer am Mittwoch.

"Ich bin mir sicher, dass es Wege gibt, die Nutzenbewertung älterer Arzneimittel rechtssicher und praxisgerecht auszugestalten, wenn es nur politisch gewollt ist", meldete sich die pharmapolitische Sprecherin der Linken, Kathrin Vogler, zu Wort.

Studienleiter Professor Gerd Glaeske zog folgendes Fazit:

  • Die Bestandsmarktprüfung mit vergleichenden Bewertungen gibt wichtige Hinweise für Therapieentscheidungen auch unter Wirtschaftlichkeitsaspekten.
  • Das gleichzeitige Angebot von AMNOG-geprüften und Nicht-AMNOG-geprüften Arzneimitteln in der gleichen Indikation bedeutet eine Wettbewerbsverzerrung.
  • Da die Bestandsmarktprüfung ausgesetzt ist, erscheint eine subsidiäre Bewertung in wichtigen Bereichen unverzichtbar.
  • Die Ergebnisse solcher Prüfungen, wie zum Beispiel der Bestandsmarktreport, dienen der Verbesserung der Evidenz und Effizienz in der Arzneimitteltherapie, zur Beratung der Vertragsärzte und der Information von Krankenhausärzten.

Der Report kommt zu dem Ergebnis, dass patentgeschützte Medikamente oft keinen Zusatznutzen für Patienten haben. Angesichts von im ersten Halbjahr 2014 um 8,8 Prozent gestiegener Arzneimittelkosten für die gesetzliche Krankenversicherung, könne dies die Kassen nicht gleichgültig lassen, sagte Baas.

Für den Bericht haben die Wissenschaftler des ZeS 17 Arzneimittel aus drei Wirkstoffgruppen untersucht, die alle vor Inkrafttreten des AMNOG bereits auf dem Markt waren.

Darunter waren die neuen oralen Antikoagulantien, neuere Antidiabetika (Gliptine) sowie Biologika. Keines der Medikamente erhielt nach den Kriterien des ZeS und der TK eine gute Bewertung. Glaeske betonte, dass es für die Bewertung lediglich um den patientenrelevanten Zusatznutzen und nicht um Zweifel an der Wirksamkeit oder der Verträglichkeit der Präparate gegangen sei.

Lesen Sie dazu auch den Leitartikel: Was der GBA nicht mehr darf, holt die TK im Eiltempo nach

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