Weiterbildungsstellen gefordert

Mehr Kinderärzte in die Praxen!

In der Kinder- und Jugendmedizin klafft die Schere zwischen stationärem Bereich und ambulantem Sektor immer weiter auseinander, warnt BVKJ-Präsident Dr. Wolfram Hartmann.

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BERLIN. Die für den patientennahen fachärztlichen Versorgungsbereich vorgesehenen 1000 Weiterbildungsstellen in den Praxen reichen bei weiten nicht aus. Allein in der Kinder- und Jugendmedizin würden mindestens 800 Weiterbildungsstellen im niedergelassenen Bereich benötigt.

Auf diese Diskrepanzen hat Dr. Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) beim 45. Kinder- und Jugend-Ärztetag in Berlin hingewiesen. Die Schere zwischen stationärem Bereich und ambulantem Sektor klaffe immer weiter auseinander.

Während die Pädiatrie in den vergangenen 20 Jahren einen Zuwachs von über 2000 Kinder- und Jugendärzten in den Kliniken verzeichne, sei die Zahl der Kinder- und Jugendmediziner in den Praxen von 1996 bis 2014 sogar um 350 gesunken.

Und das, obwohl die Anforderungen in der ambulanten Pädiatrie aufgrund der neuen Morbiditäten zugenommen hätten. Konnte früher ein Pädiater bis zu 100 Patienten am Tag versorgen, seien es heute nur noch 50 bis 60 Kinder.

Hinzu kämen völlig veränderte Work-Life-Balance-Vorstellungen (Teilzeitarbeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf) der jüngeren Ärzte.

Hartmann: Definitionen für Überversorgung nicht haltbar

All diese Faktoren führten dazu, dass heute in der ambulanten Pädiatrie "mehr als doppelt so viele Kolleginnen und Kollegen wie früher" benötigt würden, was in keiner Weise mit der Zahl an Weiterbildungsstellen korrespondiere.

Ein Ungleichgewicht sieht Hartmann besonders im Vergleich mit den Allgemeinärzten, für die allein 7500 Weiterbildungsstellen bereit stehen und finanziert werden.

Angesichts des weiter steigenden Bedarfs an sozialpädiatrisch zu versorgenden Kindern in der ambulanten Pädiatrie sind für Hartmann auch die Definitionen für Überversorgung nicht haltbar.

Mit der derzeit festgeschriebenen Quotenregelung könnten viele ambulante pädiatrische Praxen gerade in Städten nicht mehr wiederbesetzt werden, obwohl gerade die Praxen dort oft weit überdurchschnittliche Patientenzahlen hätten und schon heute einige Praxen einen Aufnahmestopp verhängt hätten.

Gerade Kinder aus sozial benachteiligten und bildungsfernen Familien, die in prekären Lebensverhältnissen aufwachsen, könnten Opfer dieser Misere werden, fürchtet Dr. Uli Fegeler, Bundespressesprecher des BVKJ.

Denn wenn diese Kinder, bei denen häufig schon im Kindergarten massive Entwicklungsdefizite auftreten, nicht mehr rasch einen kompetenten Kinder- und Jugendarzt erreichen, könnten diese Defizite sich rasch manifestieren und chronifizieren.

Schon heute verlassen Jahr pro Jahr 40.000 bis 50.000 Kinder die Schule ohne Abschluss, auch weil Entwicklungsstörungen nicht frühzeitig genug begegnet worden ist. Dies sind immerhin acht Prozent aller Kinder.

Fegeler: Wir schieben hier ein gewaltiges Probleme vor uns her." (ras)

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