Rheinland-Pfalz

Erstes Gebiet von Unterversorgung bedroht

Als erstes Gebiet in Rheinland-Pfalz ist der Mittelbereich Prüm als von Unterversorgung bedroht definiert worden. Allein dort können sechs Hausarztsitze nicht nachbesetzt werden, hieß es am Rande der jüngsten KV-Vertreterversammlung.

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Von Anne Zegelman

MAINZ. Aktuell gibt es in Rheinland-Pfalz 78,5 freie Hausarztsitze und 50 freie Facharztsitze in nicht gesperrten Planungsregionen. Diese Zahlen mit Stand von Ende Juni 2016 lieferte die KV im Nachgang, nachdem ein Delegierter bei der jüngsten Vertreterversammlung danach gefragt hatte.

Die neue Abteilungsleiterin Sicherstellung, Dr. Nadja Moreno, sagte, dass der Mittelbereich Prüm das erste von Unterversorgung bedrohte Gebiet im Land sei. In der Eifel-Verbandsgemeinde sind aktuell vier Hausarztsitze frei, zwei weitere folgen in naher Zukunft. Facharztsitze sind ebenfalls unbesetzt.

Ganzes Maßnahmenpaket

Prüm begegnet der drohenden Unterversorgung mit einem ganzen Maßnahmenpaket. "Wir haben uns zum Beispiel an der zentralen Zukunftswerkstatt des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie beteiligt", berichtet Peter Hillen, Fachbereichsleiter für Bürgerdienste in der Verbandsgemeinde, im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

"Leider hat das aber nicht den gewünschten Erfolg gebracht." Zur Zukunftswerkstatt hatte Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) Kommunen, Mediziner und Akteure eingeladen.

"Außerdem hatten wir einen Headhunter auf die Arztsuche angesetzt", so Hillen. Mittlerweile hat die Verbandsgemeinde gemeinsam mit anderen Kommunen des Landkreises Bitburg-Prüm Institute mit der Suche nach effektiven Lösungen beauftragt. Dass die Kommune selbst als Praxis- oder MVZ-Träger auftritt, sei derzeit nicht geplant, sagt Hillen: "Die ärztliche Versorgung ist Aufgabe der KV."

Das dicke Ende könnte noch kommen

Als im vergangenen Jahr der einzige Hausarzt des 1200-Einwohner-Dorfs Bleialf im selben Landkreis in den Ruhestand ging, griff Ortsbürgermeisterin Edith Baur zu einem bei Kommunen immer beliebter werdenden Mittel.

Sie ließ gleich drei Imagefilme mit dem Titel "Landarzt gesucht" drehen und auf die Video-Plattform YouTube hochladen. Darin priesen sie, der aktuelle Hausarzt und Fachärzte die Vorzüge der Region an - mit Erfolg, die Nachfolge konnte gesichert werden. Ähnliches ist in Prüm laut Hiller jedoch nicht geplant.

KV-Sprecher Dr. Rainer Saurwein ruft dazu auf, die Situation differenziert zu betrachten. "Es ist ja nicht so, dass sich tendenziell überhaupt niemand mehr in ländlichen Regionen niederlässt - tagtäglich finden Praxisübernahmen statt", sagt er. Allerdings ist auch der KV bewusst, dass das dicke Ende noch kommen dürfte. Einer aktuellen Bedarfsanalyse zufolge fehlen bis 2022 nach jetzigem Stand in Rheinland-Pfalz 1645 Hausärzte und somit 61 Prozent - bei einem durchschnittlichen Abgangsalter von 61.

Informationsdefizit reduzieren

Dem versucht die KV mit verschiedenen Kampagnen Herr zu werden, unter anderem der in diesem Jahr angelaufenen Aktion "Arzt.Nah.Dran.", bei der niederlassungswillige Ärzte und kommunale Vertreter an verschiedenen Orten im Land zusammengebracht werden. Interesse ist vorhanden, die Veranstaltungen seien regelmäßig gut besucht.

"Doch es ist auch klar, dass man keine kurzfristigen Effekte erwarten kann", so Saurwein. "Das kann Jahre dauern, bis sich diese Bemühungen bemerkbar machen." Unterm Strich hoffe man vor allem, das Informationsdefizit zum Thema Niederlassung vieler Ärzte aus dem klinischen Bereich etwas reduzieren und eine eigene Praxis doch noch schmackhaft machen zu können.

E-Mail-Service informiert

Andererseits bekomme die KV wöchentlich einige Anrufe von Ärzten, die sich nach den Möglichkeiten und Bedingungen einer Niederlassung erkundigen. "Einige haben eine Wunschregion, doch im Moment sind manche Regionen noch geschlossen, dort erwarten wir erst in ein paar Jahren Vakanzen", sagt der KV-Sprecher.

Aktuell hat das Land per Definition keinen einzigen unterversorgten Bereich, einige wenige Gebiete sind mit 135 Prozent sogar ausgesprochen gut aufgestellt. Größtenteils liegen die Versorgungsgrade allerdings bei den angepeilten 110 Prozent oder darunter. "Außerdem kann sich die Situation auch in ganz schnell drehen", warnt Saurwein. Immerhin: "Wir kamen Gott sei dank noch nicht in die Situation, dass wir Sitze aufkaufen mussten."

Für ihre bereits niedergelassenen Mitglieder bietet die KV neuerdings einen E-Mail-Service, mit dem bei Bedarf auch kurzfristig informiert werden kann. Seit Juni 2016 verschickt die KV den Newsletter KVInfo an 5350 von 5500 Betriebsstätten im Land und erreicht damit 97 Prozent der Praxen. Erfreulich sei, dass es kaum Abmeldungen gebe, sagte Vorstandsmitglied Dr. Klaus Sackenheim bei der jüngsten Vertreterversammlung: "Die Klickzahlen sprechen für eine positive Aufnahme!".

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