Bayern

Nachbesetzung klappt nicht? Da muss der Bürgermeister ran

Bayern hat nicht nur Boom-Regionen. Im Norden des Landes misslingt vielerorts die Nachbesetzung von Arztpraxen. Bei der Versorgungskonferenz der KVB wurde der Wert kommunalen Engagements betont.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
Niederlassung in einer ländlichen Region? Anreize der Kommune können helfen.

Niederlassung in einer ländlichen Region? Anreize der Kommune können helfen.

© Ulrich Baumgarten / dpa

NÜRNBERG. Im bayerischen Norden addieren sich die Versorgungsprobleme. Daher stand diese Region im Mittelpunkt der jüngsten Versorgungskonferenz der KV Bayerns. KVB-Chef Dr. Wolfgang Krombholz verwies darauf, dass sich 15 der 20 Planungsbereiche, in denen der festgelegte Versorgungsgrad derzeit nicht erreicht wird, in Unter-, Mittel- und Oberfranken sowie der Oberpfalz befinden.

12,5% der Facharztanerkennungen

in Bayern entfielen im Vorjahr auf die Allgemeinmedizin. Das ist deutlich über dem Bundesschnitt von zehn Prozent.

Immer wieder können Arztsitze nicht oder nur mit hohem Zusatzaufwand nachbesetzt werden. Seit 2014 seien 5,5 Millionen Euro Niederlassungsförderung aus dem Strukturfonds von KVB und Krankenkassen geflossen, davon 3,8 Millionen in den nördlichen Teil Bayerns. Das habe einige Nachbesetzungen ermöglicht. Dennoch fehlten Hausärzte, aber auch Hautärzte, HNO-Ärzte sowie Kinder- und Jugendpsychiater.

Es gebe positive Entwicklungen bei den Weiterbildungen, stellte Bayerns Ärztekammer-Präsident Dr. Max Kaplan fest. Im vergangenen Jahr hätten in Bayern 254 Allgemeinärzte ihre Facharztanerkennung erhalten, zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Ihr Anteil an allen Facharztanerkennungen sei zudem mit 12,5 Prozent höher als im Bundesdurchschnitt (zehn Prozent). Das reiche aber noch nicht. "Um die Sicherstellung langfristig gewährleisten zu können, bräuchten wir 20 Prozent", konstatierte Kaplan. KV und Krankenkassen fördern in Bayern seit 2015 die Weiterbildung in Allgemeinmedizin, seit 2016 auch die für ausgewählte Fachärzte.

Lösungsansätze funktionieren regional, wurde bei einer Podiumsdiskussion deutlich. Landrat Gerhard Wägemann hat in Weißenburg-Gunzenhausen eine Medizinische Ferienakademie etabliert, um Studierenden die Region näher zu bringen. "Die zehn Plätze, die wir angeboten haben, waren im Nu weg", sagte er. Die vier Akademie-Tage umfassten Praxis- und Klinik-Workshops. Zugleich seien gemeinsame Sport- und Freizeitangebote integriert. Eine Teilnehmerin absolviere nun vor Ort ihr Praktisches Jahr. Auch die diesjährige, zweite Runde sei sofort ausgebucht gewesen.

Von einer erfolgreichen Hausarztsuche berichtete Friedrich Wörrlein, Bürgermeister des Marktes Dentlein am Forst (Kreis Ansbach). Die dortige Praxis habe kurzfristig schließen müssen, da der Sohn und designierte Nachfolger des Arztes lieber an der Klinik bleiben wollte. Als eine Ärztin gefunden war, habe sie aus Gesundheitsgründen nach nur drei Monaten aufhören müssen. Schließlich habe ein Arzt übernommen, der soeben erst die Weiterbildung absolviert habe. Wollten Gemeinden zeitnah Praxisnachfolger haben, sollten sie das nicht der KV überlassen, sondern selbst Initiative ergreifen. Er habe gute Erfahrungen damit gemacht, gelungene Praxisräume anzubieten, berichtete Wörrlein. Auf den an die Interessenten mitgeschickten Grundriss der Praxis am Ort hätten viele positiv reagiert. Zudem gebe es bei der Refinanzierung keinen Druck, sie dürfe zehn oder 20 Jahren dauern. "Der Arzt muss spüren, dass die ganze Gemeinde hinter ihm steht", so Wörrlein.

In Zirndorf (Landkreis Fürth) stand laut Bürgermeister Thomas Zwingel, zweiter Vizepräsidenten des Bayerischen Gemeindetages, eine Augenarztpraxis lange Zeit leer. Zwar hätten sich Ärzte interessiert, aber Sorge um ihre Einnahmen gehabt. Ein nahegelegenes Ärztehaus habe zur Unsicherheit über die potenzielle Patientenzahl beigetragen. "Durch Beratung oder infrastrukturelle Maßnahmen können wir gern unterstützen", sagte Zwingel. Von finanziellen Zuweisungen riet er ab. Letzten Endes habe sich eine Augenärztin am Ort niedergelassen. Ein Hinweis auf geeignete Räume in einer früheren Anwaltskanzlei und ein Gründerdarlehen der Bank hätten als Unterstützung gereicht. Kürzlich habe die Praxis eröffnet.

Die ärztliche Versorgung sei mit Blick auf die Daseinsvorsorge zentral, betonte Bürgermeister Wörrlein. Falle eine Praxis weg, zerfielen schnell weitere Strukturen, Menschen zögen weg, Zuzug bleibe aus. In geeigneter Form dürfe eine Gemeinde die Nachbesetzung einer Praxis daher auch finanzielle unterstützen, sagte er.

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