Ärzte sagen Nein zum Pilotprojekt der Ersatzkasse

KASSEL. Das in Nordhessen geplante Pilotprojekt einer Kassenversorgung ohne Kassenärztliche Vereinigung dürfte keine breite Basis unter den niedergelassenen Ärzten finden. Die Ärztegenossenschaft Doxs teilte mit, sie werde sich nicht an dem Modell beteiligen. Das Medikum will nun dennoch mit den Einschreibungen in den Vertrag beginnen.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:

Wie berichtet, hatte das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) Medikum in Kassel den Zuschlag des Ersatzkassenverbandes VdAK für einen Vertrag nach Paragraf 73 c Sozialgesetzbuch V bekommen. Das bundesweit einmalige Projekt "Gesundheitspartnerschaft Nordhessen" sieht für die Versicherten ein komplettes ambulantes Versorgungsangebot ohne KV vor, so VdAK-Sprecherin Michaela Gottfried im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Die bereits mehrfach verschobene Einschreibung der Versicherten in das Projekt solle noch im Mai beginnen.

Genossenschaft ist nicht zur Zusammenarbeit bereit

Nach Informationen der "Ärzte Zeitung" konnte das Medikum über die zehn eigenen MVZ-Ärzte hinaus allerdings erst gut 20 sogenannte Partnerärzte für das Projekt gewinnen. Weil dies für eine flächendeckende Versorgung von Stadt und Kreis Kassel sowie des angrenzenden Schwalm-Eder-Landkreises kaum ausreicht, hätten nun Medikum und Doxs "in vertrauensvollen, kollegialen Gesprächen" über eine mögliche Zusammenarbeit gesprochen, teilte die Genossenschaft mit. Nach Prüfung des zwischen Medikum und VdAK geschlossenen Vertrages sieht Doxs von einer Zusammenarbeit ab.

"Inwiefern sich die Mitglieder der Doxs an dem Modell-Vertrag beteiligen, überlässt der Vorstand ausdrücklich der individuellen Entscheidung des einzelnen Mitglieds", heißt es in der Mitteilung der Genossenschaft. VdAK-Sprecherin Gottfried sagte, es gebe "Signale, dass auch Doxs-Ärzte mitmachen werden".

Ärzte sehen sich nicht "auf Augenhöhe" mit den Ersatzkassen.

Im aktuellen "Hausärzte-Info", dem Informationsblatt des hessischen Hausärzteverbandes, rät der Vorsitzende des Doxs-Aufsichtsrats, der Kasseler Allgemeinarzt Uwe Popert, den Genossenschaftsmitgliedern allerdings von einer Beteiligung ab. Nach den zwischen Medikum und "Partnerärzten" geplanten Verträgen seien die Ärzte "nicht auf Augenhöhe".

Die Vergütung orientiere sich am KV-Durchschnitt, lohne sich also nur bei vergleichsweise gesunden Patienten. Laut Vertrag könnten die Fallmanager des Medikum sogar nach eigenen wirtschaftlichen Kriterien den Partnerärzten Patienten zuweisen. Im Gegensatz zu den ursprünglichen Zusagen sei auch die Abrechnung für die Ärzte "keineswegs unkompliziert" und in elektronischer Form bislang nur mit dem Praxissystem namens MCS-ISYNET möglich.

Medikum-Geschäftsführer Lutz Schäfer widersprach dieser Darstellung, wollte mit Einzelheiten aber nicht zitiert werden. Interessierte Ärzte könnten sich an das Medikum wenden. "Wir wollen die Chance des 73 c jetzt nutzen", betonte er.

Nach Einschätzung der Doxs-Genossenschaft könnte sich auch der VdAK durchaus mit einer geringen Beteiligung bei Ärzten und Versicherten zufriedengeben. Denn Hauptziel der Kassen sei es, die KV zu einem Modell und zur Entwicklung einer entsprechenden Software zu zwingen, mit der die Leistungen nach einem 73c-Vertrag mit der den KVen gezahlten Gesamtvergütung verrechnet werden können, so Popert. Dies könne dann auch Grundlage für 73 c-Verträge mit einzelnen Ärzten sein. Demgegenüber betonte VdAK-Sprecherin Gottfried, es sei dem Ersatzkassenverband "wichtig, dass das von den Versicherten auch angenommen wird". Ziel seien 750 Einschreibungen innerhalb von sechs Monaten. Budgetgespräche zwischen VdAK und KV Hessen kündigte Gottfried für diese Woche an.

So steht es im Gesetz

Der Paragraf 73 c SGB V regelt die "besondere ambulante ärztliche Versorgung". Hier einige Auszüge:

(1) Die Kassen können ihren Versicherten die Sicherstellung der Versorgung durch Abschluss von Verträgen anbieten. (...)

(2) Die Versicherten erklären ihre freiwillige Teilnahme, indem sie sich schriftlich verpflichten, für die Erfüllung der in den Verträgen umschriebenen Versorgungsaufträge nur die vertraglich gebundenen Leistungserbringer und andere ärztliche Leistungserbringer nur auf deren Überweisung in Anspruch zu nehmen. (...)

(6) Die Vertragspartner haben die Gesamtvergütung 2007 und 2008 entsprechend der Zahl der teilnehmenden Versicherten (...) zu bereinigen. (...)

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