KVen im Wettbewerb brauchen neues Finanzdach

STUTTGART. Die KV wird künftig nicht mehr alle Ärzte gleich lieb haben können. Wenn ganze Arztgruppen jenseits der KV Verträge schließen und abrechnen, fehlt der Körperschaft GKV-Umsatz, der bislang zur Berechnung der KV-Verwaltungskostenbeiträge dient. Die KV Baden-Württemberg will als bundesweit erste daher schon im nächsten Jahr ihren Haushalt mit völlig neuen Finanzierungsinstrumenten bestreiten.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Dauerhafte Konstruktion: Gesucht werden neue Bausteine für die Finanzierung der KV-Haushalte.

Dauerhafte Konstruktion: Gesucht werden neue Bausteine für die Finanzierung der KV-Haushalte.

© Foto: imago

Dass der Südwesten nach Alternativen zu den KV-Verwaltungskostenbeiträgen sucht, ist kein Wunder: Mit dem AOK-Hausarztvertrag könnte - bei einer Million teilnehmender Patienten - künftig ein Honorarvolumen von bis zu 800 Millionen Euro fehlen, das nicht mehr über die KV abgerechnet werden wird.

Für das zuständige KV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Zalewski ist der Vertrag, den die AOK mit dem Hausärzteverband und Medi geschlossen hat, die Initialzündung für alle Überlegungen: "In dem Maße, wie beitragspflichtige GKV-Umsätze wegbrechen, die über uns abgerechnet werden, hat die KV ein Finanzierungsproblem." Konkret geht es in Baden-Württemberg um einen KV-Haushalt in Höhe von zur Zeit 85 Millionen Euro pro Jahr.

Tut die KV nichts, dann entsteht eine Gerechtigkeitslücke

Theoretisch, so Zalewski, könne man am bisherigen Finanzierungsmodell festhalten -  aber eben nur theoretisch: "Das würde bedeuten, dass Fachärzte im Vergleich zu Hausärzten einen deutlich höheren Verwaltungskostenbeitrag in Kauf nehmen müssten." Damit täte sich langfristig eine Gerechtigkeitslücke auf: Ärzte, die durch Einzelverträge schrittweise das KV-System verlassen, könnten dennoch auf alle Leistungen der KV zurückgreifen. Zudem würden für diese - "sanft ausgestiegene" - Arztgruppe alle anderen kollektivvertraglich geregelten Aufgaben wie beispielsweise der Notdienst von Kollegen mitfinanziert.

"Brechen der KV Umsätze aus der GKV weg, dann hat sie ein Finanzierungsproblem." Dr. Thomas Zalewski KV-Vorstandsmitglied in Baden-Württemberg

Die entscheidende Frage lautet für KV-Vorstandsmitglied Zalewski: "Kann die KV ihr ganzes Leistungsspektrum ausschließlich über umsatzabhängige Beiträge finanzieren? Man kommt zu dem Ergebnis: eher Nein." Auch die Idee, Verwaltungskostenbeiträge auf Basis eines theoretischen GKV-Gesamtumsatzes zu berechnen, trägt nicht. Denn GKV-Umsätze, die nicht über die KV abgerechnet werden - etwa wie künftig beim AOK-Hausarztvertrag - kennt die Körperschaft nicht und hätte auch keine rechtliche Handhabe, Ärzte zur Auskunft über die KV-externen Umsätze zu zwingen.

Auch der Blick ins Gesetz erleichtert der KV nicht die Vorgehensweise. Denn das für die GKV relevante Sozialgesetzbuch V hilft nicht weiter, erläutert KV-Vorstandsmitglied Zalewski: "In Paragraf 81 heißt es dort nur: Die Satzungen der KVen müssen Bestimmungen über die Aufbringung der Mittel enthalten. Doch über das ‚Wie‘ ist dort nichts gesagt."

Als Konsequenz hat Zalewski als Leiter einer KV-internen Arbeitsgruppe ein Finanzierungsmodell entwickelt, das er Anfang Mai der Vertreterversammlung der KV Baden-Württemberg vorgestellt hat. Danach werden drei Finanzierungsformen unterschieden:

  • Infrastrukturbeitrag: Dieser Beitrag, so Zalewski, "soll für die Leistungen erhoben werden, die allen Mitgliedern zu Gute kommen". Er soll für alle Mitglieder gleich hoch sein. "Das wäre dann ein per Kopf erhobener Mitgliedsbeitrag beispielsweise wie im Tennisverein."
  • Anlass- oder aufwandsbezogene Gebühren für Dienstleistungen wie beispielsweise für die Bearbeitung der Abrechnungen. Ärzte müssten dann entsprechend dem Abrechnungsvolumen eine prozentuale Gebühr an die KV zahlen.
  • Anlass- oder aufwandsbezogene Gebühren für individuelle Leistungen, die Ärzte in Anspruch nehmen. Beispiele dafür wären Beratungs- oder Genehmigungsleistungen.

Fertige Listen darüber, welche Leistungen in welche der drei Rubriken fallen, gibt es bislang nach Angaben von Zalewski noch nicht - sie werden zur Zeit erarbeitet. Und diese Aufgabe hat es in sich: "Die Crux wird sein, zu definieren: Was sind Leistungen, die Teil des künftigen Infrastukturbeitrags sind und was sind individuelle Leistungen für einzelne Ärzte", erläutert der KV-Vorstand.

Viel Zeit bleibt Zalewski nicht mehr. Im Juli und im September hat die Vertreterversammlung noch Gelegenheit, sich zur Finanzierungsstrategie zu positionieren. "Bis September müssen wir für die Haushaltsplanung Klarheit haben, ob wir eine Differenzierung haben wollen und wie diese aussehen soll", sagt Zalewski. Er selber geht aber davon aus, "dass wir den Haushalt 2009 nach dem System differenzierter Verwaltungskostenbeiträge aufstellen".

Noch sind die Preise für Leistungen der KV unbekannt

Dabei weiß der Vorstand, dass die bislang theoretische Diskussion durchaus noch Streitpotenzial für die KV-Delegierten bereithält: Werden die einzelnen Leistungen der KV schließlich mit Preisschildern versehen, können sich Ärzte ausrechnen, ob sie durch die differenzierten Verwaltungskostenbeiträge im Vergleich zum alten System entlastet werden oder aber draufzahlen müssen.

Auf den ersten Blick könnten beispielsweise hochtechnisierte große Labor-Praxen entlastet werden, die angesichts ihrer GKV-Umsätze bislang eine vergleichsweise hohe Verwaltungskostenumlage bezahlen. Belastet würden dagegen durch den Infrastrukturbeitrag kleine Praxen mit wenigen Scheinen. Doch ob das tatsächlich stimmt, hängt von der prozentualen Gebühr für die Abrechnung ab, die die KV künftig erheben würde. Viele unbeantwortete Fragen -  die Diskussion in Baden-Württemberg ist gerade erst eröffnet.

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