HINTERGRUND

Versorgungsbericht deckt Lücken im Südwesten auf

Von Marion Lisson Veröffentlicht:

41,5 Prozent der Hausärzte in Baden-Württemberg sind älter als 55 Jahre. Dies dokumentiert der erste Versorgungsbericht der KV Baden-Württemberg. "In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden nahezu die Hälfte der Kollegen nach den gesetzlichen Vorschriften in den Ruhestand gehen müssen", warnt Baden-Württembergs Hausärztechef Dr. Berthold Dietsche angesichts der vorliegenden Zahlen.

Um einer absehbaren Verschlechterung der Versorgung entgegenzusteuern, seien Politik und Kassen gefordert: Eine intensive Förderung der allgemeinmedizinischen Weiterbildung, eine leistungsgerechte Vergütung und ein Abbau der Bürokratie seien dringend erforderlich, forderte Dietsche, der auch Vorsitzender des Beratenden Fachausschusses für die hausärztliche Versorgung der KVBW ist.

Momentaner Stand ist gut, aber die Entwicklung bedenklich

Der Versorgungsbericht im Südwesten sei eine Premiere, betonten KV-Chef Dr. Achim Hoffmann-Goldmayer und Vorstandsmitglied Dr. Gisela Dahl. Er dokumentiere die aktuell hervorragende vertragsärztliche und vertragspsychotherapeutische Versorgung im Südwesten, er zeige aber auch bedenkliche Entwicklungen, denen es gegenzusteuern gelte, sowie neue Chancen, die sich beispielsweise durch das Vertragsarztänderungsgesetz vom Januar 2007ergeben würden.

Über 40 Prozent der Hausärzte sind älter als 55 Jahre.

Nach Angaben der KV sind derzeit 8005 Mediziner im hausärztlichen Bereich tätig, davon 5745 (72 Prozent) Allgemeinärzte, 1428 (18 Prozent) Internisten und 832 (10 Prozent) Kinderärzte. 9839 Mediziner sind dagegen dem fachärztlichen Bereich zuzurechnen. Unter ihnen sind außer den Fachärzten (81 Prozent), 1537 psychologische Psychotherapeuten (15 Prozent) und 361 (4 Prozent) Kinder- und Jugendpsychotherapeuten.

Es ginge nicht allein darum, mit dem Versorgungsbericht statistisches Material für die Archivierung aufzubereiten, stellt KV-Chef Hoffmann-Goldmayer klar. Vielmehr sei es wichtig, die Herausforderung - die Erfüllung des ärztlichen Auftrages unter den gegenwärtigen und künftigen Rahmenbedingungen - darzustellen. "Immer weniger junge ausgebildete Mediziner sind zum Beispiel bereit, sich überhaupt in Deutschland niederzulassen", so der Vorsitzende. Der Ärztemangel, so Hoffmann-Goldmayer, sei keine Vision, er beginne bereits in Baden-Württemberg. Vor allem im ländlichen Bereich kündige er sich an. Im Jahr 2007 wurden in Baden-Württemberg 623 Ärzte die Zulassung erteilt. Im Jahr zuvor waren es 629 Mediziner.

KV ist in einigen Bereichen flexibler geworden

"Es besteht ebenfalls ein Mehrbedarf an Kinder- und Jugendpsychiatern", interpretiert auch Dr. Roland Freßle, Facharzt für Kinder - und Jugendmedizin, kritisch die Zahlen des Versorgungsberichts. Vor allem Kinder- und Jugendpsychologen, die Verhaltenstherapie anbieten, und Kinder- und Jugendgynäkologen gebe es derzeit zu wenig.

KV-Vorständlerin Dahl lenkt dagegen den Blick auf Entwicklungen zur kooperativen Berufsausübung. 34 Medizinische Versorgungszentren werden für Baden-Württemberg im Bericht zum Beispiel ausgewiesen. 44 Prozent sind davon in Trägerschaft von Krankenhäusern, 53 Prozent in Trägerschaft von Vertragsärzten und drei Prozent werden "sonstigen Trägern" zugerechnet.

Die Zahl der MVZ sei in Baden-Württemberg im Vergleich zu anderen Bundesländern derzeit zwar noch eher niedrig, doch könne hier ein stetiger Anstieg verzeichnet werden, informiert Gisela Dahl, die in der KV für das Ressort Sicherstellung und Zulassung zuständig ist. Seit Fertigstellung des Berichtes sei die Zahl der MVZ bis heute bereits auf 51 Versorgungszentren gestiegen. "Nur neun MVZ werden von Vertragsärzten betrieben, sieben mit Vertragsärzten und angestellten Ärzten und 35 als MVZ mit ausschließlich angestellten Ärzten", berichtete sie.

In ihrem Bericht informierte Dahl auch über Chancen, die das neue Vertragsarztrechtsänderungsgesetz einräumt. Vier Mediziner haben bislang eine Ermächtigung zur Errichtung von Nebenbetriebsstätten erhalten. Unter ihnen sei ein Facharzt für Psychotherapeutische Leistungen aus dem Bereich der KV Berlin. "Es handelt sich hier um einen Kollegen, der aus privaten Gründen nach Berlin gezogen ist, der aber bei seinen etwa 18 Patienten, die er seit einiger Zeit betreut, seine Behandlung noch bis 2009 abschließen möchte", berichtet die Allgemeinärztin. Und ergänzt: "An diesem Beispiel sieht man, dass die KV in manchen Dingen flexibler entscheiden kann, als früher."

Vor allem die Patienten würden davon profitieren. Baden-Württemberg besitze derzeit ein strukturell hervorragendes Versorgungsnetz, betont Arbeits- und Sozialministerin Monika Stolz angesichts des neuen Versorgungsberichts. Sie lobte die hohe berufliche Qualifikation der Haus- und Fachärzte. Diese sorgten für eine gute Behandlungsqualität und relativ geringe Wartezeiten. Dennoch wertete sie auch die kritischen Stimmen von Seiten der Mediziner in dem Bericht als positiv. "Nur so können wir gemeinsam an Lösungen arbeiten", so die Ministerin.

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