Nach der Reform ist vor der Reform - der Bundestag plant ein Regelungs-Potpourri
Die Bundesregierung will Kassen-Pleiten vermeiden - sie sollen vorher abgewickelt werden. Fotos (2): imago
Kurz vor dem Start des Gesundheitsfonds dreht die Bundesregierung noch einmal an den Stellschrauben in der Gesundheitspolitik.
Von Bülent Erdogan
Schon der Name des Gesetzes weckt Assoziationen an ein unüberschaubares Dickicht von Regelungen und Normierungen: Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG).
Mit ihm sollen jetzt die letzten Lücken der jüngsten Gesundheitsreform geschlossen werden. Im Schlepptau des Gesetzes befinden sich dabei weitere wichtige Änderungen. Heute kommt der Gesundheitsausschuss des Bundestags zu einer vierstündigen Anhörung über das komplexe Gesamtwerk zusammen.
Was geschieht, wenn eine Kasse pleite geht?
Kernthema des GKV-OrgWG ist eine Ausweitung und Neuregelung der Insolvenzfähigkeit der bundesweit über 200 Krankenkassen. So sollen auch landesunmittelbare Kassen wie die Allgemeinen Ortskrankenkassen ab 2010 insolvenzfähig sein. Allerdings ist es erklärtes Ziel der Regierung, Kassen nicht in die Pleite laufen zu lassen, sondern vorher abzuwickeln.
Der Kittel kann wieder vom Haken: Ärzte dürfen künftig über das 68. Lebensjahr hinaus arbeiten.
Für Verbindlichkeiten sollen zunächst die Kassen der jeweiligen Art und dann die übrigen Kassen einstehen. Für Leistungserbringer, so die Regierung, soll eine Insolvenz oder Schließung indes keine negativen Folgen haben, ihre Ansprüche sollen weiter bedient werden.
Allerdings hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gerade in diesem Punkt Bedenken: So komme im Gesetzentwurf "nicht mit hinreichender Klarheit zum Ausdruck, dass unter Leistungserbringern auch die Kassenärztlichen Vereinigen zu verstehen sind, die Ansprüche aus Gesamtvergütungen gegenüber den Krankenkassen haben und diese Gesamtvergütung unter die Vertragsärzte nach bestimmten Maßstäben verteilen", moniert die KBV und fordert eine Klarstellung.
Neuregelung des Paragrafen 73 b lehnt die KBV ab
Auf klaren Widerspruch stößt bei der KBV auch die geplante Änderung des Paragrafen 73b SGB V zu Hausarztverträgen. Ursprung hierfür ist Bayern, wo der Hausärzteverband mit seiner starken Position im Vorfeld der Landtagswahlen die CSU-geführte Staatsregierung unter Druck gesetzt hat.
Danach müssen alle Kassen bis zum 30. Juni 2009 Hausarztverträge abschließen. Dort, wo freie Ärzteverbände wie der Hausarztverband mehr als die Hälfte der Allgemeinmediziner hinter sich haben, sind diese erster Ansprechpartner. Kommt kein Vertrag zustande, kann der Verband ein Schiedsamt anrufen.
Teilweise zurück dreht die Koalition die Gesundheitsreform beim Thema Hilfsmittel: Hier soll die bereits beschlossene Verpflichtung der Kassen zur Ausschreibung von Hilfsmitteln in eine "Kann-Vorschrift" umgewandelt werden.
Lesen Sie dazu auch: Ärzte-Altersgrenze: 68er-Regelung für Vertragsärzte fällt am 1. Oktober Weiterbildung: Regierung stärkt Weiterbildung in Hausarzt-Praxen Psychotherapeuten: Berlin will feste Quote für Kindertherapeuten Enterale Ernährung: Koalition nimmt Krankenkassen stärker in die Pflicht