Im Norden könnten noch viele Protestaktionen folgen

MELDORF. Es ist die erste Demonstration gegen die Honorarreform, die den Ärzten 2,7 Milliarden Euro mehr bringen soll. Im Norden erwartet man, dass weitere folgen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Demonstranten machen deutlich: Die Honorarreform ist nicht nur Sache der Ärzte, sondern trifft auch die Patienten.

Demonstranten machen deutlich: Die Honorarreform ist nicht nur Sache der Ärzte, sondern trifft auch die Patienten.

© Fotos: di

"Stell Dir vor, es ist Notfall - und kein Arzt mehr da": Transparente wie diese machten am Wochenende in Dithmarschen deutlich, welche Auswirkungen die Honorarreform auf die ärztliche Versorgung haben könnte - eine drastische Einschränkung des Angebotes. Viele unter den rund 250 Demonstranten, die ihren freien Samstag Vormittag für den Protest im kalten Nordseewind geopfert haben, denken wie der Arzt mit dem Transparent: Sie schließen nicht länger aus, dass die Patienten die schlechte Bezahlung der niedergelassenen Ärzte zu spüren bekommen.

Einer von ihnen ist Dr. Geert Knop. Aus Preetz hat sich der Internist am frühen Morgen aufgemacht, um in Meldorf Gummibärchen und Schokotaler unter die Menschen zu bringen: Naturalien, von denen er befürchtet, dass sie schon bald wie in früheren Zeiten für das Überleben der Ärzte auf dem Land wieder in Mode kommen, weil die Praxisinhaber mit dem Honorar nicht auskommen. Seinen eigenen Verlust beziffert Knop auf 25 bis 30 Prozent durch die anstehende Reform. Ob die Patienten sich tatsächlich nach Hartz IV auch an Arzt IV gewöhnen müssen, wie es ein Demonstrant prophezeit?

Hausarzt Burkhard Sawade hält dies für möglich. Der Vorstand des Medizinischen Praxisnetzes Westküste (MQW) forderte von den Politikern ein klares Signal, das ärztliche Honorar so aufzustocken, dass diese auch davon leben können. Wie ernst der Protest im Norden genommen wird, zeigt die breite Aufmerksamkeit. Kammerpräsident Dr. Franz Bartmann versichert den Protestlern von der Nordseeküste die Solidarität aller Ärzte, auch der Bundesärztekammer. Genossenschaftschef Dr. Klaus Bittmann geißelt die Honorarreform als "missratenes Werk" und hält es für einen Skandal, dass die Politik öffentlich der Selbstverwaltung die Verantwortung zuschiebt.

Politiker trauen sich an diesem Tag nicht nach Meldorf. Einzig die gesundheitspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Ursula Sassen, stellt sich den Ärzten. "Die Politik ist an Ihrer Seite", versichert Sassen den Demonstranten - und erntet eisiges Schweigen. Auch ihr Bekenntnis, persönlich entsetzt über die Folgen der Honorarreform zu sein, wird ohne Regung zur Kenntnis genommen. Die Politikerin sagt all das, wofür die Standesvertreter Applaus erhalten - muss aber ohne Resonanz vom Podium abtreten.

"Warum geht das Geld, das Schleswig-Holstein zusteht, in andere Bundesländer", fragt Netzvorstand Sawade und kündigt an, diese Frage von "höchsten Gerichten" klären zu lassen. Nach zwei Stunden Protest geht es zu einer Informationsveranstaltung der KV Schleswig-Holstein über die Auswirkungen der Honorarreform. Viele interessiert das nicht, sie gehen nach Hause.

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