Schmidt lehnt Honorargarantie für Ärzte ab

Eine bunte Koalition im Bundesrat will den Paragrafen 73b entschärfen. Die Bundesgesundheitsministerin hält davon allerdings nichts.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Über den Bundesrat versuchen einzelne Landesregierungen, Änderungen bei der Gesundheitsreform zu erreichen.

Über den Bundesrat versuchen einzelne Landesregierungen, Änderungen bei der Gesundheitsreform zu erreichen.

© Foto: dpa

KÖLN/BERLIN. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hat sich gegen die jüngsten Initiativen von Bundesländern im Bundesrat zu Änderungen wesentlicher Teile ihrer Gesundheits- und der Vergütungsreform für die Vertragsärzte gewandt. Vor Journalisten erteilte die SPD-Politikerin sowohl Forderungen nach einer Abschaffung des Quasi-Vertragsmonopols des Deutschen Hausärzteverbands in der hausarztzentrierten Versorgung als auch nach einer Honorargarantie für Ärzte in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen (NRW) eine klare Absage.

Heute befasst sich der Bundesrat mit entsprechenden Initiativen der Länder Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Die Landesregierungen in Wiesbaden und Stuttgart fordern, dass der Deutsche Hausärzteverband sein Vorrecht zur Verhandlung von Hausarztverträgen mit den Kassen nach Paragraf 73b SGB V wieder verliert. Im Gesundheitsausschuss des Bundesrates hatte der Antrag kürzlich zwar eine Mehrheit erhalten. Allerdings fehlen den Befürwortern durch die eigenwillige Abstimmungssystematik des Bundesrates drei Stimmen bis zur absoluten Mehrheit und damit für eine Anrufung des Bundestags.

Aus diesem Grund haben Krankenkassen und KVen in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Tagen gemeinsam versucht, die bisher in dieser Frage neutrale Landesregierung dazu zu bewegen, dem Änderungsantrag zuzustimmen. "Wir möchten gemeinsam dafür werben, den Änderungsantrag offensiv zu unterstützen und sich dem Mehrheitsvotum der Länder zur Änderung des Paragrafen 73b SGB V anzuschließen", heißt es in einem Schreiben an Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (beide CDU).

In dem Brief kritisieren die Kassen und die KVen die Regelungen des Paragrafen heftig. Er setze den Wettbewerb außer Kraft und führe zu einer Monopolisierung der Vertragslandschaft. Die Kassen könnten die vom Hausärzteverband geforderten Honorare zudem nicht zahlen und müssten daher Zusatzbeiträge erheben. Auch führe der Paragraf 73b zu einer weiteren Front innerhalb der Ärzteschaft, kritisieren Kassen und KVen: "Ein durch Diskriminierung anderer ärztlicher Verbände erzwungener Vertrag mit den Hausärzten schwächt die Position derjenigen Arztgruppen, die eine über den Interessen einer einzelnen Arztgruppe stehende, ausgleichende und an der Gesamtversorgung orientierte Vertragspolitik betreiben wollen."

Schmidt: Ich erwarte, dass die Kassen jetzt verhandeln.

Gemeinsam mit NRW will Baden-Württemberg darüber hinaus erreichen, dass den Ärzten in beiden Ländern mindestens das Honorarvolumen des Vorjahres zur Verfügung steht. "Das auf einen Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigung entfallende Gesamthonorarvolumen des Jahres 2008 darf im Jahre 2009 und in den folgenden Jahren nicht unterschritten werden. Dies ist durch einen entsprechenden bundesweiten Ausgleich bei der Honorarverteilung durch den Bewertungsausschuss sicherzustellen", heißt es darin. Für Ärzte in anderen Ländern würde dies aber zu Mittelabflüssen führen, sodass fraglich ist, ob dieser Antrag Chancen hat. Chancenlos ist dagegen der Entschließungsantrag Bayerns, zur alten Vergütung zurückzukehren. Der Gesundheitsausschuss empfahl, diese Entschließung nicht zu fassen.

Schmidt warf den Befürwortern einer Änderung von Paragraf 73b "politische Beliebigkeit" vor. Die geltende Regelung sei erst im Herbst von Bundestag und Bundesrat getroffen worden. Gleichzeitig erhöhte sie den Druck auf die Kassen: "Ich erwarte jetzt, dass die Kassen sich an den Verhandlungstisch setzen." Geschieht dies in den kommenden Wochen nicht, soll der Hausärzteverband die Schiedsämter anrufen können. Die Kosten einer Honorargarantie für die Ärzte in Baden-Württemberg und NRW bezifferte Schmidt auf 900 Millionen Euro.

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