Ein offenes Ohr für große und kleine Sorgen

Lächeln und verständnisvoll nicken: Annette Widmann-Mauz, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU im Bundestag, versucht, den Menschen im Wahlkreis ein offenes Ohr zu bieten und ihre Wünsche ernst zu nehmen.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:

TÜBINGEN. "Grüß Gott, ich bin ihre Bundestagsabgeordnete." Etwas ungläubig schaut der ältere Herr die CDU-Politikerin Annette Widmann-Mauz an. Er hatte eigentlich den Tübinger DRK-Notdienst gerufen, seine schwerkranke Frau braucht Hilfe. "Aber sie machen keine Werbung für die CDU?", fragt der Angehörige kritisch. "Nein, ich will nur schauen, was im Gesundheitssystem nicht funktioniert", antwortet die 43-jährige CDU-Politikerin. Das kommt gut an beim leidgeprüften Angehörigen. Er öffnet die Tür. An diesem Samstag soll kein Wahlkampf sein. Sie will sich die Probleme in der Notdienstversorgung in der Region Tübingen am Wochenende zusammen mit ihrer Parteifreundin und Notärztin Dr. Lisa Federle anschauen. Wahlkampf nein, aber ein paar Worte über Politik für den, der es hören will, natürlich immer gerne.

Engagierte Diskussion zwischen Parteifreundinnen

Auf der Fahrt zu den Einsätzen diskutiert die Notärztin Federle, die bei der baden-württembergischen Kommunalwahl Anfang Juni für die CDU in den Tübinger Stadtrat gewählt wurde, engagiert mit ihrer Parteifreundin. "Das System ist so träge. Wir müssen schneller von den nicht ärztlichen Tätigkeiten entlastet werden", sagt Federle. Die gestandene Politikerin, die sich mit der Neu-Politikerin duzt, versucht zu erklären, warum man sich in Berlin oft nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen kann. Aus Sicht von Federle reichen kleine Schritte für Änderungen im Notdienst aber kaum aus: "Das Kassieren der zehn Euro fällt mir oft schwer", erzählt Federle in ihrem leicht schwäbischen Akzent.

Widmann-Mauz sagt, dass es Sorgen in den Kliniken gab, Patienten kämen nur noch in die Notaufnahmen. Die Entwicklung der künftigen eCard sieht die Ärztin besonders bei ihrer Arbeit kritisch: "Mit der Versichertenkarte klappt es schon jetzt oft nicht. Und auf dem Land gibt es keine Verbindung zum Daten-Server, so dass mir die Karte die Arbeit nicht erleichtern würde." "Darüber muss ich mit den Verantwortlichen reden", verspricht Widmann-Mauz. Nächstes Problem: Die Abrechnung von Tabletten, Salben und Verbandszeug. "Die paar Cent pro Patient abzurechnen, das ist zu viel Schreibaufwand nach so einem Wochenende", sagt Federle. "Also müsste man über ein Budget für einen Notdienstbedarf ähnlich dem Praxisbedarf nachdenken", überlegt Widmann-Mauz und schreibt es in ihr Notizbuch. Gedanken für kommende Gespräche in Berlin - für die Zeit nach der Wahl.

Und auf die kann sie sich vorbereiten: Mit Listenplatz vier hinter den CDU-Bundesministern Wolfgang Schäuble und Annette Schavan sowie Fraktionsvorsitzendem Volker Kauder ist sie sicher weitere vier Jahre im Bundestag, selbst wenn sie ihr Direktmandat verlieren sollte.Denn sie hat einen Gegner, der auch in der Bundespolitik bekannt ist und dessen Partei bei der vergangenen Kommunalwahl noch einmal zulegen konnte: Der Grüne Winfried Herrmann ist renommierter Verkehrsexperte, sein Parteifreund Boris Palmer regiert als Bürgermeister die Stadt am Neckar. Einige Tübinger sagen, CDU-Frau Widmann-Mauz sei nur direkt gewählt, weil auch viele ländliche Gemeinden in den Wahlkreis Tübingen-Hechingen gehören, die traditionell konservativ wählen.

Großveranstaltung mit dem Shooting-Star zu Guttenberg

Aber die 43-jährige Politikerin kennt die schwäbischen Eigenarten in und um Tübingen. Hier am Neckar ist sie geboren und aufgewachsen, hat an der Uni Jura und Politikwissenschaften studiert. In diesem Jahr machte sie mit zwei Großveranstaltungen von sich reden: Bundeswirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg kam - und lockte damit mehr als 900 Menschen an.

Zu Beginn des Jahres, dem Höhepunkt der Honorarproteste in Baden-Württemberg, kamen auf ihre Einladung gleich zwei gesundheitspolitische Schwergewichte an den Neckar: KBV-Chef Dr. Andreas Köhler und Johann-Magnus von Stackelberg vom GKV-Spitzenverband wurden von rund 400 wütenden Ärzten aus der Region empfangen. "Das hatte zwar oft IG-Metall Charakter, aber danach hat sich die Situation beruhigt." Sie stehe zur Selbstverwaltung der Ärzte, will Korrekturen am derzeitigen Honorarsystem und fordert "einen konstruktiven Dialog" zwischen Ärzten und Kassen. "Wenn jeder den anderen über den Tisch ziehen will, funktioniert das nicht", sagt Widmann-Mauz.Was sie damit konkret meint, erzählt sie den Journalisten vom "Tübinger Tagblatt" nicht.

Die regionalen Medien bedient sie mit anderen Geschichten: Eine Ehrung für ihren Einsatz beim Breitband-Internet auf dem Dorf, Begegnungen in Kirchen und Kindergärten oder bei der Freiwilligen Feuerwehr. Sie besucht mittelständische Firmen in der Region, bringt mal einen Bundes-, mal einen Landesminister mit.

Die Wirtschaft interessiere die Menschen derzeit viel mehr als die Gesundheitspolitik, erzählt sie. Daher sitzt sie in diesem Wahlkampf auch auf Podien, wenn es um Energie- und Atompolitik geht. Widmann-Mauz will jedes Jahr einen Tag in einer der vielen Gemeinden in ihrem Wahlkreis verbringen - glaubt man den Gerüchten, liegt dort ja unter anderem auch ihr Wahlerfolg. Überall hört sie aufmerksam zu, stellt Fragen. Sie versucht die Sorgen der Menschen zu verstehen, schreibt Anregungen in ihr Notizbuch.

Den Menschen, denen sie an diesem Samstag begegnet, verspricht sie, ihre Sorgen in die Berliner Politik einzubringen - auch in den kommenden vier Jahren.

Annette Widmann-Mauz (CDU)

Annette Widmann-Mauz wurde 1966 in Tübingen geboren. Dort studierte sie Politik- und Rechtswissenschaften und arbeitete zwischen 1993 und 1998 an der Universität. Seit 1984 ist sie Mitglied der CDU, seit 2002 sitzt sie für den Wahlkreis Tübingen im Bundestag. Dort ist die gesundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. (bee)

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