Stellungskampf um GOÄ nimmt an Schärfe zu

Bundesärztekammer und PKV streiten weiter erbittert über die GOÄ-Reform. An der Öffnungsklausel scheiden sich die Geister. "Discountklausel", schimpfen die Ärzte. "Unbedingt notwendig", betont die PKV. Das Bundesgesundheitsministerium gibt sich neutral - noch.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:

BERLIN. Im Stellungskampf um die GOÄ-Reform hat die Bundesärztekammer schwere Geschütze aufgefahren. Die umstrittene Öffnungsklausel sei eine "Discountklausel" und führe "zu weniger Behandlungsqualität durch Kostendruck", kritisierte BÄK-Vorstandsmitglied Theodor Windhorst in Berlin. Die "Marktmacht" der Privatversicherer werde gestärkt, Ärzte dagegen würden zu "Marionetten" der PKV.

Ziel der PKV sei, stärker Einfluss auf Qualität und die sich daraus ergebenden Mengen und Preise von Heilbehandlungen zu nehmen, konterte PKV-Vorsitzender Reinhold Schulte: "Die Leistungsausgaben der PKV sind in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen als in der GKV."

Das könne nicht ungebremst so weitergehen. Am Ende zahlten die Versicherten "die Zeche".

Die Ausgaben für die ambulante Arztbehandlung der Privatversicherten seien pro Kopf in den letzten zehn Jahren um 41 Prozent gestiegen (1999: 583 Euro, 2009: 822 Euro). In der GKV seien die Ausgaben pro Kopf in diesen zehn Jahren von 297 auf 370 Euro gestiegen - eine Steigerung um 24 Prozent. Vorwürfe, die PKV strebe eine Budgetierung an, wies Schulte jedoch zurück.

Das Bundesgesundheitsministerium ist in der Angelegenheit um Neutralität bemüht: "Die private Krankenversicherung muss finanziell stabil und damit zukunftsfest bleiben", sagte Gesundheitsstaatssekretär Daniel Bahr (FDP) der "Ärzte Zeitung". Gleichwohl könne die PKV kein Interesse daran haben, der gesetzlichen Krankenversicherung immer ähnlicher zu werden. "Dann würde sie ihr Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb aufgeben", warnte Bahr. Aber auch den Ärzten müsse an einer finanziell gesunden privaten Krankenversicherung gelegen sein.

BÄK: Angst vor ruinösem Preiswettbewerb

  • Die BÄK lehnt eine Öffnungsklausel in der PKV ab. Diese würde Steuerungselemente, wie sie in der GKV angewendet werden, auch für die Privaten möglich machen. Das betrifft vor allem die Möglichkeit, Selektivverträge abzuschließen. Dies, fürchtet die BÄK, führe zu "ruinösem Preiswettbewerb".
  • Skeptisch beurteilt die BÄK, Leistungen zu pauschalisieren oder zu Komplexleistungen zusammenzufassen. Damit würde sich die PKV der "Kassenmedizin" der GKV annähern und ihr "Alleinstellungsmerkmal" verlieren.
  • Die BÄK favorisiert stattdessen ein "Einzelleistungs-Vergütungssystem", mit dem Leistungen präziser abgebildet und einzelne Rechnungen übersichtlicher gemacht werden sollen.
  • Anders als die PKV will die BÄK den Steigerungsfaktor als Ausdruck für individuelle Schwierigkeiten einer Leistung und ihres Aufwands beibehalten.

PKV: Sorge um "überproportional" steigende Kosten

  • Die PKV kämpft seit geraumer Zeit mit stark steigenden Versichertenprämien. Ein Grund: Die Arzthonorare auf Basis von GOÄ und GOZ haben sich - so Statistiken der Privaten - in der Vergangenheit im Vergleich zur GKV "überproportional" entwickelt.
  • Daher verlangt die PKV nach Steuerungsinstrumenten, mit denen sie die Kostenentwicklung in der ambulanten ärztlichen Versorgung in den Griff bekommt. Erhalte sie diese Möglichkeit nicht, drohe langfristig eine "ökonomische Überforderung" der Versicherten. Daran, argumentiert die PKV, könnten auch die Ärzte kein Interesse haben.
  • Eine "Öffnungsklausel" soll laut PKV Einzelverträge zwischen Versicherern und Ärzten ermöglichen. (Zahn-)ärztliche Leistungen könnten dann außerhalb der GOÄ/GOZ abgerechnet werden. Gleichwohl betont die PKV, sie sei weiter für "leistungsgerechte Vergütung" und gegen "Budgetierung".

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