KBV-Doppelspitze will auf der Großbaustelle weitermachen

Honorarverteilung, Ärztemangel, Bedarfsplanung: Das KBV-Duo Köhler / Müller sieht sich auf einer Großbaustelle - und in der Pflicht, begonnene Projekte fertigzustellen. Erkennbar ist Selbstkritik am Zentralismus. Folge: Die KBV will ihr Verhältnis zu den Länder-KVen verbessern.

Wolfgang van den BerghVon Wolfgang van den Bergh Veröffentlicht:
Bewerben sich um eine weitere Amtsperiode: KBV-Vorstand Dr. Carl-Heinz Müller (links) und KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Köhler. Beide versprechen den Länder-KVen mehr Kompetenzen.

Bewerben sich um eine weitere Amtsperiode: KBV-Vorstand Dr. Carl-Heinz Müller (links) und KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Köhler. Beide versprechen den Länder-KVen mehr Kompetenzen.

© Frank Bauchspiess

BERLIN. Gegen Windmühlen kämpfen und trotz des Erfolgs wenig Dank ernten - klingt nicht gerade nach einem erstrebenswerten Job?

"Doch!", findet der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Dr. Andreas Köhler und tritt zusammen mit seinem Vorstandskollegen Dr. Carl-Heinz Müller erneut zur Wahl für den Vorstand der KBV an.

Das habe gute Gründe, wie beide im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" versichern. "Wir sind mit unserer Arbeit noch nicht fertig", begründet KBV-Chef Köhler seine Entscheidung.

Dem stimmt auch Müller zu: "Wir wollen den Weg, den wir eingeschlagen haben, auf jeden Fall gemeinsam fortsetzen." Denn die Zusammenarbeit habe sich in der Vergangenheit bewährt.

An erster Stelle der zu bewältigenden Aufgaben steht für sie vor allem der drohende Ärztemangel. Um eine Unterversorgung zu verhindern, will das Duo ein Gesamtpaket schnüren, das anspruchsvolle Ziele verfolgt:

Der Arztberuf solle wieder attraktiver werden. "Dafür müssen endlich die Richtgrößenprüfung und damit auch die Regresse vom Tisch", fordert Müller.

Die Vergütung der Ärzte müsse sich wieder stärker an der erbrachten Leistung orientieren. Weitere zentrale Themen sind: Entlastung der Ärzte von Bürokratie, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie die Delegation von Leistungen an medizinische Assistenzberufe.

Alles in allem eine Mammut-Aufgabe, sollten Köhler und Müller in ihrem Ämtern bestätigt werden. Offen ist, ob dies bereits in der konstituierenden Vertreterversammlung der KBV am 11. März entschieden wird.

Bei einem Thema können beide auf die Unterstützung der Politik hoffen: Denn der künftig erwartete Ärztemangel wird inzwischen über alle Parteigrenzen hinweg ernst genommen. Die Krankenkassen, die einen Ärztemangel bestreiten, sind mit ihrer Position fast isoliert. Als Vertragspartner müssen sie also noch überzeugt werden.

Dreh- und Angelpunkt bleibt die künftige Bedarfsplanung: "Die Menschen werden künftig immer älter - und damit auch morbider", so Müller. Damit wüchsen auch die Aufgaben für die einzelnen Ärzte. Eine kleinräumige Bedarfsplanung könne "viel besser den tatsächlichen Bedarf abbilden".

Künftig müsse dieser deutlich differenzierter von der jeweiligen Bevölkerungsstruktur einer Region abgeleitet werden, ergänzt Köhler. Die Bedarfsplanung von heute habe keinen Bezug mehr zur Versorgungsrealität.

"Natürlich bekommt man mit einer neuen Bedarfsplanung keinen zusätzlichen Arzt aufs Land", räumte der KBV-Chef ein. Die KBV sieht sich mit ihren Forderungen auf einer "Linie" mit dem Bundesgesundheitsministerium. Schließlich hatten Bund und Länder erst kürzlich auf eine flexiblere Bedarfsplanung geeinigt. Die Forderung der Länder nach mehr Mitbestimmung blieb dabei allerdings unerfüllt.

Die KBV hingegen fordert - wie auch die Union - einen sektorübergreifenden Versorgungsausschuss. Vor Ort wisse man eben am besten, wo es hakt. Für Köhler und Müller ist klar: Darin vertreten sein sollen KVen, Landesärztekammer, Landeskrankenhausgesellschaft und Kassen. In dem Gremium solle zudem eine Lösung für die Schnittstelle zwischen Klinik und Praxis gefunden werden.

Kommunen sollten zwar kein Entscheidungs- aber ein Mitberatungsrecht erhalten. Schließlich seien Ärzte für Kommunen ein wichtiger Standortfaktor. "Wenn es dort keinen Arzt gibt, werden sich auch keine Unternehmen ansiedeln", sagte der KBV-Chef. "Wir werden es alle noch erleben, dass sich Kommunen um Ärzte streiten", prognostizierte Köhler.

Aber auch innerhalb des KV-Systems soll sich in der kommenden Amtsperiode einiges ändern. In der Vergangenheit wurde immer wieder der Berliner Zentralismus kritisiert. Daher sollen die Länder-KVen künftig stärker in die Entscheidungsfindung eingebunden werden.

Sollte es keine Mehrheit für einen dritten Vorstand geben, schlagen Köhler und Müller eine Alternative vor: Ein zusätzliches Gremium von maximal zwölf Mitgliedern könnte den Forderungen nach einer stärkeren Länderbeteiligung Rechnung tragen. "Ich stelle mir ein kleines und effizientes Gremium vor, in dem alles, was die vertragsärztliche Versorgung betrifft, beraten wird", so Köhler.

"Das Gremium hätte dann allerdings auch eine große Verantwortung", ergänzt Müller. Schließlich müsse der Ausschuss die Interessen von 17 Landes-KVen bündeln und in den KBV-Vorstand einbringen, dessen Verhandlungen und Verhandlungsergebnisse aber auch in die Regional-KVen kommunizieren.

Die Honorarverteilung soll wieder stärker regionalisiert werden. Dies könnte viel weiter differenziert werden als bisher. Analog zur kleinräumigen Bedarfsplanung könne der Gesetzgeber auch einen Rahmen schaffen, der es Länder-KVen erlaubt, mit ihrer Honorarverteilungspolitik differenziert auf regionalen und lokalen Versorgungsbedarf zu reagieren.

Schließlich die Frage: War es nötig, dass Gesetzgeber vor gut sechs Jahren nach den Kassen nun auch den KVen hauptamtliche Vorstände verordnet hat? Köhler und Müller gestehen zu, dass durch die neue Struktur in der KBV-Spitze auch ein Stück Nähe zu den Mitgliedern an der Basis verloren gegangen sei.

Aber ohne einen hauptamtlichen Vorstand seien die Aufgaben der KBV jedoch nicht mehr adäquat zu bewältigen. Inzwischen gebe es starke Verhandlungspartner: Immer mehr Kassen fusionierten, zudem konzentrierten sich die Verhandlungen immer stärker auf den GKV-Spitzenverband.

"Wenn wir mit Kassen und Politik auf Augenhöhe verhandeln wollen, muss man diese Bewegung auch mitmachen", so Köhler. Das könne man in einem Ehrenamt nicht mehr leisten.

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