Bayern hat viele "untypische" Hausärzte

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Über 1600 der mehr als 9000 registrierten Hausärzte in Bayern sind eigentlich keine, weil sie kaum hausärztlich tätig sind, so KV-Chef Dr. Wolfgang Krombholz.

Von Jürgen Stoschek

MÜNCHEN. In Bayern sind tatsächlich sehr viel weniger Hausärzte in der hausärztlichen Versorgung tätig als bislang angenommen, so das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung der KV Bayerns (KVB).

Nach der Statistik sind derzeit in Bayern 9179 Vertragsärzte als Hausärzte registriert. Davon seien jedoch 1604 Ärzte gar nicht typisch hausärztlich tätig, berichtete KVB-Vorsitzender Dr. Wolfgang Krombholz bei der Vertreterversammlung in München.

Vielen Hausärzte, die fachärztlich arbeiten

"Die Kollegen und Kolleginnen haben kein erkennbares hausärztliches Versorgungsprofil", erläuterte Krombholz. Er habe jedoch keinen Zweifel, dass auch die 1604 Ärzte ihre Patienten versorgen. Schwerpunktmäßig seien das aber eher Leistungen aus dem fachärztlichen Bereich, etwa aus der Psychotherapie, der Onkologie oder der Proktologie.

Die Ergebnisse der KVB-Analyse haben nach Krombholz Angaben auch Konsequenzen für die Bedarfsplanung: Nach den bisherigen Kriterien sind die meisten der 79 Planungsbereiche ausreichend mit Hausärzten versorgt, nach den aktuellen Zahlen der KVB liegt die Versorgung in 62 Planungsbereichen hingegen bei 100 Prozent der Sollzahl oder darunter.

In einem Bereich, in München Stadt, liegt der Anteil der Versorger-Hausärzte sogar unter 80 Prozent. In 17 statt 68 Planungsbereichen liegt die hausärztliche Versorgung demnach zwischen 100 bis 120 Prozent.

Zukunft der Versorgung noch "kritischer als befürchtet"

In ihrer Untersuchung hat die KVB zusätzlich auch noch die Altersverteilung bei den Hausärzten berücksichtigt. Da ein Viertel der Hausärzte in Bayern 60 Jahre und älter sind, werde sich die Bedarfsplanungssituation in den nächsten Jahren dramatisch verschlechtern, prognostizierte Krombholz.

Dann werde es nur noch wenige Kreise mit genügend Hausärzten geben, die auch ein günstiges Altersprofil haben. In der Mehrzahl der Kreise werde der Versorgungsgrad auf 100 Prozent der Sollzahlen oder weniger sinken, wobei sich das Altersprofil in vielen dieser Regionen weiter ungünstig entwickeln werde, so Krombholz.

Wenn man in der Bedarfsplanung nur noch die tatsächlich hausärztlich tätigen Hausärzte berücksichtige, erscheine die Zukunft der hausärztlichen Versorgung deshalb noch kritischer als bislang befürchtet, erklärte Krombholz. Die Förderung des hausärztlichen Nachwuchses sei deshalb "eine der dringendsten Herausforderungen überhaupt".

Hausarzt oder nicht: Die Scheinzahl macht's

Für die Unterscheidung von Ärzten mit "überwiegend hausärztlichem Versorgungscharakter" von "untypischen" Hausärzten hat die KVB insgesamt neun Kriterien herangezogen, von denen vier Kriterien ausschlaggebend sind.

Demnach gelten Ärzte, die zwar im hausärztlichen Versorgungsbereich registriert sind, die aber weniger als 200 Fälle im Quartal haben, bei denen die Zahl der Patienten mit Besuchen unter zehn liegt und deren Praxisumsatz weniger als 30.000 Euro im Quartal beträgt, als "untypische Hausärzte".

Ein weiteres Kriterium ist auch noch die Verordnung von Medikamenten aus Arzneimittelgruppen, die für eine Hausarztpraxis typisch ist.

Auf die knapp 7500 typischen Hausärzte in Bayern entfallen nach Angaben der KVB 91 Prozent aller Behandlungsfälle. Der Fallwert der typischen Hausärzte liegt im Schnitt bei 61 Euro gegenüber 64,40 Euro bei den untypischen Hausärzten.

An der hausarztzentrierten Versorgung nehmen aktuell 7686 Ärzte, davon 6940 typische und 746 untypische Hausärzte teil, berichtete Krombholz.

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