Krawallo oder Realo? Bayerische Hausärzte im Zwiespalt

Quo vadis, Bayerischer Hausärzteverband? Die Rivalen Geis und Hoppenthaller liefern sich auf einer turbulenten Mitgliederversammlung ein Worftgefecht - und werden beide beklatscht. Das Lager der Hausärzte scheint gespalten, der weitere Kurs der Hausärzte ist ungewiss.

Von Jürgen Stoschek Veröffentlicht:
Kritiker des amtierenden Vorstandes demonstrierten in Erlangen vor der Veranstaltungshalle.

Kritiker des amtierenden Vorstandes demonstrierten in Erlangen vor der Veranstaltungshalle.

© Stoschek

ERLANGEN. In der Auseinandersetzung um den Kurs des Bayerischen Hausärzteverbandes (BHÄV) in der Vertragspolitik ist es am Mittwoch bei einer Mitgliederversammlung in Erlangen zum Showdown gekommen.

BHÄV-Vorsitzender Dr. Dieter Geis bekräftigte, dass der Vorstand seine "Politik des zähen Verhandelns" mit den Krankenkassen um neue Hausarztverträge fortführen werde und nicht beabsichtige "mit der Brechstange durch die Wand" zu gehen.

Der Vorstand habe Verträge erfolgreich verhandelt und für die laufenden Schiedsverfahren fachkompetente Schiedspersonen von den Aufsichten zugeteilt bekommen, berichtete Geis.

Hoppenthaller beklagt Appeasement-Politik

Demgegenüber warf Dr. Wolfgang Hoppenthaller, langjähriger Landesvorsitzender und nun Ehrenvorsitzender des Verbandes, dem amtierenden Vorstand vor, er betreibe gegenüber den Kassen "Appeasement-Politik" und verharre gegenüber den Mitgliedern in einer "Wagenburg des Schweigens".

Der Hausärzteverband müsse wieder kämpferischer auftreten, verlangte Hoppenthaller. Die Drohung mit einer möglichen Urabstimmung über Streikmaßnahmen müsse bei jeder Verhandlung im Raum stehen.

Angriffslustiger Hoppenthaller

Beifall gab es von den rund 600 Hausärzten, die nach Erlangen gekommen waren, für beide Redner. Doch während Geis seine Rede mit monotoner Stimme vom Blatt ablas und von einem "Scherbenhaufen" sprach, den der neue Vorstand nach dem gescheiterten Systemausstieg im vergangenen Dezember zusammenkehren musste, gab sich Hoppenthaller in seiner Replik gewohnt angriffslustig.

Der Vorstand rede sich und der bayerischen Hausärzteschaft permanent Schuldgefühle ein, "anstatt nach diesem Abstimmungsschock das Selbstbewusstsein, die Würde und den Stolz der Hausärzte wieder zu pflegen", befand Hoppenthaller und wurde dafür mit Bravorufen belohnt.

Krombholz: Beide haben recht

"Beide haben recht", meinte als dritter Redner Dr. Wolfgang Krombholz, bis vor einem Jahr stellvertretender BHÄV-Vorsitzender und jetzt Vorsitzender der KV Bayerns (KVB).

Der Vorstand des Hausärzteverbandes habe recht, "weil nicht genügend da sind", und recht hätten auch jene, "die einen einheitlichen und starken Hausärzteverband wollen", sagte Krombholz. Er selbst habe schon immer die Ansicht vertreten, dass sich die Hausärzteschaft gewerkschaftlich organisieren müsse.

Arbeitsteilung zwischen KV und Hausärzteverband könnte Lösung sein

Die Lösung könnte nach Krombholz Ansicht in einer Verknüpfung von Kollektiv- und Selektivvertrag bestehen, also in einer Arbeitsteilung zwischen KV und Hausärzteverband.

Mit dem Vorsitz in der KV habe die Hausärzteschaft in Bayern "eine Chance, die wir so noch nie hatten", sagte Krombholz. Und: "Wir sollten uns alle Wege offen halten, auf denen wir in diesem System Hase und Igel spielen können."

Händedruck der Rivalen auf offener Bühne

Wurden von KV-Chef Dr. Wolfgang Krombholz zum Handschlag gedrängt. Dr. Wolfgang Hoppenthaller (l.) und Dr. Dieter Geis (re.).

Wurden von KV-Chef Dr. Wolfgang Krombholz zum Handschlag gedrängt. Dr. Wolfgang Hoppenthaller (l.) und Dr. Dieter Geis (re.).

© Stoschek

Die Hausärzteschaft brauche die Hausarztverträge nicht nur wegen des Honorars, sondern auch, weil dort die hausärztliche Tätigkeit beschrieben werde, sagte Krombholz. Entscheidend sei letztendlich, was in den Verträgen drinsteht, eine andere Frage sei, wo die Verträge abgewickelt werden.

"Wir suchen Dienstleister, die rechnen können", sagte Krombholz. Das könnte die KVB sein, die HÄVG werde deshalb aber "nicht über den Jordan geschickt".

Demonstrativ forderte Krombholz schließlich die beiden Kontrahenten zum Händedruck auf offener Bühne auf. Die Einigkeit sei wichtig, begründete Krombholz die Geste. Und: "Macht es gemeinsam!"

Gemeinsame Gespräche zur Befriedung geplant

Die unterschiedlichen Bewertungen des Hausarztvertrages mit der Techniker Krankenkasse und der Verhandlungen mit den Betriebskrankenkassen, die Auslöser für die Krise im Bayerischen Hausärzteverband waren, sollen nun in gemeinsamen Gesprächen zwischen dem BHÄV-Vorstand, Honorarexperten der KVB und Hoppenthaller besprochen werden, hieß es am Ende der über vierstündigen Mitgliederversammlung, in der vor allem die Basis und Anhänger der Initiative "BHÄV quo vadis?" zu Wort kamen.

Zumindest eines habe die Diskussion bewirkt, meinte ein Teilnehmer. "Hoppenthaller hat den Verband wachgerüttelt."

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Spaltung vorerst abgewendet

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