Wilde Farbenspiele vor der Saarland-Wahl

Jamaika liegt nur noch in der Karibik, die Koalition an der Saar ist passé. Für das Thema Gesundheit können sich Wahlkämpfer und Volk bisher nicht erwärmen. Da ist es konsequent, dass es ein eigenes Gesundheitsressort künftig nicht mehr geben soll.

Von Michael Kuderna Veröffentlicht:
Getrennt wahlkämpfen, dann koalieren? Wahlplakate mit Heiko Maas (SPD) und Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU).

Getrennt wahlkämpfen, dann koalieren? Wahlplakate mit Heiko Maas (SPD) und Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU).

© dpa

SAARBRÜCKEN. Die Saarländer sind laut Statistiken öfter und häufiger krank als der Bundesdurchschnitt, verbrauchen mehr Medikamente und leiden öfter an chronischen Erkrankungen. Dennoch spielt Gesundheitspolitik im Landtagswahlkampf keine Rolle.

Nach dem Scheitern der ersten Jamaika-Koalition (CDU, Grüne und FDP) auf Länderebene scheint sogar die Auflösung des eigenständigen Gesundheitsressorts ebenso sicher wie die Bildung einer großen Koalition. Die Bürger sollen nach dem Willen von CDU und SPD am 25. März nur noch darüber entscheiden, wer von beiden die erste Geige spielt.

Für etwas Unsicherheit sorgt dabei einzig das unverdrossene Werben der Linken um die SPD. Das Kalkül von Fraktionschef Oskar Lafontaine, der seine Partei 2009 im Saarland mit 21,3 Prozent in Tuchfühlung zur SPD brachte und erneut als Spitzenkandidat antritt, kann jedoch bestenfalls dann aufgehen, wenn die SPD erneut hinter den Christdemokraten landet.

Große Koalition ist kein Schreckgespenst für Bürger

Wie die Saarländer 2009 gewählt haben

Rund 800.000 wahlberechtigte Saarländer können bei der Landtagswahl am 25. März ihre Stimme abgeben.

Das Landesparlament hat 51 Abgeordnete, die reguläre Legislaturperiode dauert fünf Jahre.

Zur Wahl wurden elf Parteien zugelassen, zwei von ihnen allerdings nicht in allen der drei Wahlkreise.

Außer den fünf bisher im Landtag vertretenen Parteien treten unter anderem die Piraten und die Freien Wähler an.

Die letzte Wahl 2009 ergab folgendes Ergebnis (in Klammern die Zahl der Mandate): CDU 34,5 % (19), SPD 24,5% (13), Die Linke 21,3% (11), FDP 9,2% (5), Grüne 5,9% (3), Familie 2,0%, NPD 1,5%, Sonstige 1,1%.

Die Wahlbeteiligung lag bei 67,6 Prozent.

Dann - so Lafontaines Hoffnung - könnte bei den Sozialdemokraten doch noch eine offene Diskussion beginnen, ob sie nicht lieber den Ministerpräsidenten in einem rot-roten Bündnis stellen als die Rolle des Juniorpartners in der von ihrem Chef Heiko Maas angestrebten großen Koalition einnehmen würden.

Dabei malt die Linke genauso wie die Grünen und die FDP das Schreckgespenst einer Regierung an die Wand, die dank einer Zwei-Drittel-Mehrheit kaum noch kontrollierbar wäre.

Nach den Umfragen entspräche aber das Zusammengehen der beiden großen Parteien dem Willen der meisten Bürger, die angesichts der hohen Verschuldung des Saarlandes offenbar auch bereit sind, einen rigiden Sparkurs hinzunehmen. Auf einen tiefen Sturz muss sich vor allem die FDP einrichten. Ihren internen Querelen fiel nach und nach fast das gesamte Spitzenpersonal zum Opfer.

Eine Dienstwagenaffäre und Meldungen, wonach es früher gegen den Staatssekretär im Gesundheitsministerium ein Ermittlungsverfahren wegen Drogendelikten gegeben habe, setzten den Schlusspunkt.

So fiel es CDU-Chefin und Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrrenbauer nicht schwer, die zunehmend ungeliebte Jamaika-Koalition aufzukündigen und dies mit der Instabilität der FDP zu begründen. Tatsächlich gab es bei der CDU aber auch viele Mitglieder, die sich vor allem mit dem starken Einfluss der Grünen auf das Regierungshandeln schwer taten.

Themen im Wahlkampf: Schulden und Nichtraucher

Für Emotionen und Streit sorgt in dem eher themenarmen Wahlkampf denn auch neben der Haushalts- und Finanzsituation des Landes vor allem eine Entscheidung, die die Grünen als Preis für ihren Eintritt in das Jamaika-Bündnis durchgesetzt hatten: der strikte Nichtraucherschutz in der gesamten Gastronomie.

Die Linke und die FDP wollen ihn auf jeden Fall wieder liberalisieren, die SPD strebt einen Bürgerentscheid über die Frage an, ob man das Paffen zumindest in Nebenräumen und Eckkneipen wieder erlauben soll.

Die CDU legt sich in diesem Punkt nicht fest und bei den Piraten fand sich auf dem Programmparteitag für keine Position eine Mehrheit. Nur die Grünen bleiben bei ihrem Nein und verweisen dabei auf Gesundheitsschutz und Wettbewerbsgleichheit.

Tritt nicht mehr an: Ex-Gesundheitsminister Georg Weisweiler (FDP).

Tritt nicht mehr an: Ex-Gesundheitsminister Georg Weisweiler (FDP).

© Saarländisches Gesundheitsministerium

Das Thema Krankenhausplanung spielt dieses Mal in der öffentlichen Debatte keine Rolle. Offenbar ist Gesundheitsminister Georg Weisweiler (FDP) mit der von ihm vorangetriebenen Neuordnung eine gewisse Befriedung gelungen, zumal in seiner Amtszeit kein Standort geschlossen wurde.

 Konkurrenz- und Existenzkampf

Dass die Träger und die einzelnen Häuser weiter in einem Konkurrenz- und teilweise auch Existenzkampf stehen, beschäftigt derzeit höchstens die kommunalpolitische Agenda.

Der einzigen politisch heiklen Diskussion im Bereich des saarländischen Gesundheitswesens haben die Partien schnell einen Riegel vorgeschoben: Einhellig erteilen sie der Forderung von Gutachtern und einer überparteilichen Initiative eine klare Absage, das Fortbestehen der medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes auf den Prüfstand zu stellen.

Auch in ihren Antworten auf Wahlprüfsteine der Ärztekammer vermieden es die Parteien weitgehend, Wähler aus dem Gesundheitssektor zu verprellen. Alle loben eine starke Selbstverwaltung, bekennen sich zu einer flächendeckenden wohnortnahen Versorgung und versprechen, die Attraktivität des Arztberufes zu fördern.

SPD setzt auf hausärztliche Versorgungszentren

Dennoch findet man neben den bekannten Differenzen etwa zur Krankenversicherung auch Unterschiede im Detail. So will die Linke die Höchstarbeitszeit an Kliniken senken und die SPD hausärztliche Versorgungszentren ermöglichen.

Gilt als einer der wenigen Gesundheits-Expertise: Staatskanzlei-Chef Andreas Storm (CDU).

Gilt als einer der wenigen Gesundheits-Expertise: Staatskanzlei-Chef Andreas Storm (CDU).

© dpa

Die CDU geht dagegen eher auf Distanz zu MVZ, die Grünen befürworten Kooperationen in kommunalen Gesundheitszentren. Die FDP schließlich bringt geriatrische Zentren an der Schnittstelle von akutmedizinischer Behandlung und Rehabilitation ins Gespräch.

Erstaunlicherweise haben die Parteien mit Ausnahme der Linken in ihren Wahlprogrammen der Gesundheitspolitik größeren Raum eingeräumt. Bei der Umsetzung werden sich die Fraktionen jedoch auf externen Fachverstand verlassen müssen. Auf den Wahllisten findet sich kein einziger aussichtsreicher Kandidat aus einem Gesundheitsberuf.

Künftig nur noch sechs Ministerien

Zwei CDU-Politiker können wenigstens in bescheidenem Maß gesundheitspolitische Erfahrungen aus der Exekutive einbringen, nämlich Minister Andreas Storm aus seiner Zeit in der Bundespolitik und Sozialministerin Monika Bachmann, die seit zwei Monaten das Gesundheitsressort mitverwaltet. FDP-Mann Weisweiler, der bis Januar im Amt war, kandidiert nicht mehr.

Und darin sind sich CDU, SPD und Linke einig: Ein eigenes Ministerium für Gesundheit und Verbraucherschutz ist Vergangenheit, künftig will das hoch verschuldete Saarland mit nur sechs Ministerien auskommen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Nebensache Gesundheitspolitik?

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