KV Bayerns will weg vom reinen Morbiditätsbezug

Die morbiditätsorientierte Vergütung ist aus Sicht von Bayerns KV-Chef Krombholz eine Fehlkonstruktion. Er will die Honorar-Regelung ändern - und plädiert für einen Versorgungsindex.

Von Jürgen Stoschek Veröffentlicht:
Dr. Wolfgang Krombholz, Vorstandschef der KV Bayerns.

Dr. Wolfgang Krombholz, Vorstandschef der KV Bayerns.

© KV Bayerns

MÜNCHEN. Dr. Wolfgang Krombholz, Chef der KV Bayerns (KVB), stellt das Prinzip der morbiditätsorientierten Vergütung infrage.

"Die Versorgung von Patienten, insbesondere von multimorbiden Patienten, ist mehr als nur die Summe von Diagnosen", sagt Krombholz. Ein "Versorgungsindex" könnte Abhilfe schaffen.

Dass die Morbidität per Gesetz zum alleinigen Maßstab für die ärztliche Vergütung gemacht wurde, sei zu einem gravierenden Problem geworden, sagte Bayerns KV-Vorsitzender der "Ärzte Zeitung".

Denn bei der Fokussierung auf die Morbidität würden all jene Faktoren, die für eine angemessene Versorgung der Patienten notwendig sind, ausgeblendet. Der "Tunnelblick auf die Morbidität bewirkt, dass die Versorgung völlig aus dem Blick gerät", so Krombholz.

Zu sehr an Morbidität orientiert

Ursprüngliches Ziel der Ärzte sei es gewesen, das Morbiditätsrisiko auf die Krankenkassen zu übertragen, erinnerte KVB-Geschäftsführer Stephan Spring.

Das Ergebnis sei jedoch ein anderes: "Jetzt ist jeder Euro für die Versorgung an die Morbidität gekoppelt. Die Durchdringung der Gesamtvergütung durch die Morbidität ist viel zu weit fortgeschritten", sagte Spring.

Die Inanspruchnahme von Leistungen hänge auch von Versorgungsstrukturen und von der Art der Betreuung ab. Der Behandlungsbedarf lasse sich nur bis zu einem gewissen Prozentsatz durch Morbidität begründen. "Alles, was darüber hinaus geht, fällt jetzt unter den Tisch", sagte Spring.

Das Problem sei bereits bei der Diskussion um die Ambulanten Kodierrichtlinien (AKR) offensichtlich geworden, erinnerte Krombholz. Und auch bei der Konvergenz stelle sich die Frage nach der Versorgung, die in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich ist.

Das Prinzip der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung werde jedenfalls der Tatsache nicht gerecht, dass in Bayern wesentlich mehr Versorgung im ambulanten Bereich stattfindet als anderswo, erläuterte Krombholz.

Alternative heißt "Versorgungsindex"

"Wir müssen über den Versorgungsauftrag und über das, was in der Versorgung tatsächlich stattfindet, neu nachdenken", forderte Krombholz.

Auch könne man über Qualität in der Versorgung erst dann sprechen, wenn der Auftrag klar definiert ist. Ein "Versorgungsindex" könnte aus dem Dilemma führen.

Noch gibt es einen solchen Index nicht, räumte KVB-Analyst Dr. Martin Tauscher ein. Eine Schwachstelle des Morbiditätsbezugs sei, dass Diagnosen zwar dokumentiert werden.

"Ob und wie die Krankheiten behandelt werden, steht auf einem anderen Blatt", erläuterte Tauscher.

Mit einem "Versorgungsindex", der außer der Morbidität auch die notwendigen Leistungen über den gesamten Krankheitsverlauf einschließt, könnte dargestellt werden, welche Art von Versorgung und wie viele Leistungen bei einzelnen Krankheiten tatsächlich erbracht werden.

Wettbewerb um kränkste Patienten und meiste Diagnosen

"Jetzt führt der Morbiditätsbezug doch dazu, dass sich alle darin überbieten, die kränksten Patienten und die meisten Diagnosen zu haben", meinte Tauscher.

Ein "Versorgungsindex" würde hingegen einen Vergleich ermöglichen und aufzeigen, welche Art der Versorgung bei einer bestimmten Krankheit die kostengünstigere ist.

Das müssten die Krankenkassen dann auch entsprechend honorieren, forderte Krombholz.

"Wer mit einer bestimmten Form der Versorgung von Krankheiten weniger Kosten bewirkt, sollte dafür dann auch mehr Geld bekommen", sagte Krombholz.

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