Krankenversicherungen bunkern Milliarden

Die Kassen sind bis zum Rand voll, die Prognosen sehr gut: Bis zum Jahresende sollen noch weitere sieben Milliarden Euro mehr im Topf sein. Also doch Prämien für die Versicherten und mehr Honorar für Ärzte? Der GKV-Spitzenverband sieht dafür keinen Spielraum.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Die Kassen geben kein Geld heraus.

Die Kassen geben kein Geld heraus.

© dpa

MOTZEN/BERLIN. Das Finanzpolster der gesetzlichen Krankenversicherung beträgt zurzeit etwa 19,5 Milliarden Euro - Tendenz steigend. Trotz der Rekordüberschüsse im Gesundheitssystem wollen die Kassen jedoch das Geld horten. Es sei eben nicht so reichlich, "dass man nun das Geld zum Fenster rauswerfen kann", sagte Dr. Doris Pfeiffer, Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes am Freitag in Motzen (Brandenburg).

Koalitionsinterne Prognosen besagen jedoch, dass die Überschüsse im System der gesetzlichen Krankenversicherung in diesem Jahr um sieben Milliarden Euro auf dann knapp 27 Milliarden Euro steigen werden. Die genaue Zahl wollte Pfeiffer nicht bestätigen. Allerdings: Fest stehe schon jetzt, dass das Finanzpolster weiter wachse, so Pfeiffer.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) drängt die Kassen aufgrund der guten finanziellen Lage bereits seit Februar 2012, einen Teil des Geldes als Prämie an die Mitglieder auszuschütten - bisher mit mäßigem Erfolg. Im Mai setzte Bahr noch eins drauf: Notfalls wolle er die Kassen per Gesetz zu Prämienzahlungen zwingen.

Pfeiffer zeigt sich angesichts dieser Drohung unbeeindruckt: Die düsteren Wolken am Finanzhimmel ermöglichten eben nicht genügend Spielraum, um das Geld zu diesem Zeitpunkt an die Versicherten zu verteilen.

Der GKV-Spitzenverband erwarte Ausgabesteigerungen für Arzneimittel sowie die ambulante und stationäre Versorgung von fast zehn Milliarden Euro in den kommenden beiden Jahren. Zudem gebe es konjunkturelle Risiken im Euro-Raum, so Pfeiffer.

Das BVA hat bereits Kassen aufgefordert, Prämienzahlungen zu prüfen

Auch das Bundesversicherungsamt (BVA) hatte bereits drei Kassen aufgefordert, angesichts hoher Rücklagen bis zum 8. Juni eine Prämienzahlung zu prüfen. Diese Nachricht erhielten die Techniker Krankenkasse (TK), die IKK gesundplus und die Hanseatische Krankenkasse.

Die TK hat nun das Amt um Aufschub bis nach dem 22. Juni gebeten. Bis dahin müsse zunächst abgewartet werden, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums der "Ärzte Zeitung". Doch es bleibe dabei: "Krankenkassen sind keine Sparkassen." Diese seien aufgefordert, ihren Patienten Prämien auszuschütten oder die Versorgung zu verbessern.

Seit Anfang 2009 gilt ein bundesweit einheitlicher Satz von 15,5 Prozent. Eine allgemeine Beitragssatzerhöhung oder Zusatzbeiträge einzelner Kassen schloss Pfeiffer bis Ende 2013 - dem Jahr der nächsten Bundestagswahl - aus.

Doch gerade im Wahljahr müssen die Kassen die Milliarden gegen weitere Zugriffe verteidigen: "Unsere Sorge ist, dass die durchaus komfortable Finanzlage die Politik dazu verführen könnte, besonders großzügig zu sein."

Aus Sicht von CDU-Politiker Jens Spahn ist das reine Panikmache der Kassen: "Die Koalition wird mit der nötigen Umsicht mit den Rücklagen der Kassen umgehen", sagte er der "Ärzte Zeitung". Es gehe vor allem darum, die Rücklagen für schlechtere Zeiten zu bewahren.

Lesen Sie dazu auch: Kassen lehnen Milliarden-Aufschlag beim Ärztehonorar ab

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