Große Gesundheits-Koalition im Südwesten

STUTTGART (fst). Geht es um konkrete Fragen der medizinischen Versorgung, dann herrscht in Baden-Württemberg praktisch eine parteienübergreifende Koalition.

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Baden-Württembergs Sozialministerin Katrin Altpeter.

© Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg

Dies zeigte eine Diskussionsrunde aller im Landtag vertretenen Fraktionen rund ein Jahr nach dem Start der grün-roten Koalition im Südwesten.

Eingeladen hat dazu am vergangenen Donnerstag die Arbeitsgemeinschaft B-52, in der außer der AOK alle Krankenkassenverbände zusammengeschlossen sind.

Für die Opposition im Landtag erklärten die Abgeordneten Stefan Teufel (CDU) und Jochen Haußmann (FDP), sie sähen in der Gesundheitspolitik den Kurs von Landessozialministerin Katrin Altpeter (SPD) als eine weitgehende Fortsetzung der schwarz-gelben Politik.

"Da hätte es einen Regierungswechsel nicht gebraucht", meinte Haußmann. Grün-Rot war dagegen mit einem ganz anderen Anspruch angetreten. Schon der Titel des Koalitionsvertrags versprach im Mai vergangenen Jahres: "Der Wechsel beginnt".

Tatsächlich überwogen bei der Veranstaltung in Stuttgart die Gemeinsamkeiten der Parteien, und zwar sowohl bei der Problembeschreibung als auch bei den Lösungsansätzen.

Positives Echo zu den neugefassten Förderkriterien

Besonders groß war der Konsens beim Krankenhausbau. Grün-Rot hat das Krankenhausbauprogramm im laufenden Jahr um 45 Millionen auf 230 Millionen Euro aufgestockt.

Umstandslos gestand der CDU-Parlamentarier Teufel ein, dass in der Regierungszeit seiner Partei ein hoher Investitionsstau von über einer Milliarde Euro aufgelaufen sei, der nun schrittweise abgetragen werden müsse.

Auch die Neufassung der Förderkriterien beim Bauprogramm durch das Sozialministerium stieß parteiübergreifend auf ein positives Echo.

Künftig würden "regionale Förderaspekte" stärker als bisher über die Vergabe von Fördermitteln entscheiden, sagte Bärbl Mielich, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag.

Wenn es lokal zu Versorgungsengpässen kommt, schrillen bei Abgeordneten aller Parteien die Telefone, berichteten die Parlamentarier.

Das Rezept der Politiker aller Parteifarben lautete ähnlich: Alle Akteure im Gesundheitswesen seien in der Pflicht, die Sicherstellung der Versorgung zu garantieren, sagte etwa der FDP-Politiker Haußmann.

Den Kommunen aber komme eine besonders große Verantwortung zu, wenn es um die Daseinsvorsorge gehe. Das betreffe dann nicht nur Hausärzte, sondern auch Apotheken, Einkaufsmöglichkeiten oder die Kinderbetreuung vor Ort, betonte Mielich für die Grünen.

Dabei hob der CDU-Politiker Teufel die Notwendigkeit hervor, die Bedarfsplanung kleinräumiger als bisher anzulegen.

Gesundheitskonferenzen werden unterschiedlich bewertet

Unterschiedliche Haltungen wurden bei der Bewertung eines zentralen Projektes von Grün-Rot deutlich: den kommunalen Gesundheitskonferenzen.

"Die Gesundheitskonferenzen sind ein ganz wichtiger Punkt für die Regierung", sagte der Abgeordnete Florian Wahl (SPD).

Mit diesem Instrument will die Landesregierung alle am Gesundheitswesen beteiligten Berufsgruppen auf kommunaler Ebene besser einbinden.

Die Hoffnung dabei: Vor Ort können am besten lokal und regional angepasste Lösungen für Versorgungsprobleme gefunden werden.

CDU und FDP zeigten sich an diesem Punkt skeptischer als die Regierungsfraktionen. Die Ergebnisse kommunaler Konferenzen müssten mit den Entscheidungsgremien auf Landesebene rückgekoppelt werden, sagte Jochen Haußmann (FDP): "Es muss klar sein, wer die Entscheidungen trifft."

Für die CDU warnte Stefan Teufel, die Akteure müssten auch "über Kreisgrenzen hinausdenken". Anderenfalls werde dieses Instrument als "zahnloser Tiger" enden.

Dagegen zeigte sich Florian Wahl (SPD) überzeugt, die Landesregierung werde "Leitplanken" für die kommunalen Gesundheitskonferenzen formulieren, um die Vernetzung der Landesebene mit den kommunalen Trägern sicherzustellen.

Altpeter: "Guter Weg der kooperativen Zusammenarbeit"

Vor den Kassenvertretern verwies Sozialministerin Katrin Altpeter "mit Stolz" auf den Sektoren übergreifenden Landesbeirat, den Baden-Württemberg als erstes Land eingeführt habe. Er soll dazu beitragen, Kassen, Leistungserbringer und Kommunen besser miteinander zu vernetzen.

Auch in den Gremien, die über die Bedarfsplanung entscheiden, wirkt er beratend mit. Dies sei ein "guter Weg der kooperativen Zusammenarbeit", sagte Altpeter und erinnerte, auch Patientenvertreter würden in diesem Gremium mitberaten.

Besorgt zeigte sich Altpeter über die Situation der Krankenhäuser in Baden-Württemberg. Nur noch 40 Prozent der Häuser hätten zuletzt ein positives Ergebnis erzielt, viele Einrichtungen würden mit den stark steigenden Betriebskosten kämpfen.

Angesicht der Überschüsse in der GKV, die sich bei Kassen und Gesundheitsfonds inzwischen auf 20 Milliarden Euro belaufen, regte die Ministerin Altpeter ein "Nachdenken" darüber an, ob das "Sonderopfer für Krankenhäuser im laufenden Jahr noch angebracht ist".

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