Honorarstreit

Ärzte planen bundesweit Nadelstiche

Es ist die Stunde der Taktiker: Hinter verschlossenen Türen basteln Ärzte an ihrer Strategie im Honorarstreit. Die Formen des Protests nehmen immer klarere Konturen an.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Wir streiken! Bundesweite Praxisschließungen wird es kaum geben.

Wir streiken! Bundesweite Praxisschließungen wird es kaum geben.

© Patrick Pleul / dpa

BERLIN. Zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und der Allianz freier Ärzteverbände glühen die Drähte.

Am Donnerstag treffen sich die Vorstände der Kassenärztlichen Vereinigungen, um das weitere Vorgehen zu den Ärzteprotesten zu beraten.

Gleichzeitig tauschen sich die Vorsitzenden der Ärzteverbände in Telefonkonferenzen aus. Ziel der fieberhaften Aktivitäten ist, die möglichen Protestaktionen auf Machbarkeit und mögliche Wirkung abzuklopfen.

Nicht alles, was im ersten Überschwang entworfen wurde, wird umgesetzt werden können, hat die "Ärzte Zeitung" aus KV- und Ärztekreisen erfahren. Konkrete Vorschläge an die Ärzte gibt es frühestens am Donnerstag.

Auch die Gegenseite ist aktiv. Die Kassen stimmen derzeit ihre Positionen untereinander ab. Tatsächlich sind Kassen und Ärzte bereits jetzt in ihrer Handlungsfreiheit gehemmt.

Nachdem die Kassenärztliche Bundesvereinigung Klage gegen den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschuss eingelegt hat, den Orientierungswert lediglich um 0,9 Prozent zu erhöhen und nicht um 11 Prozent, wie von der KBV gefordert, fallen die bereits zwischen den KVen und regionalen Kassenverbänden vereinbarten Verhandlungstermine ins Wasser.

Ende September, Anfang Oktober wollte man in den Regionen über die regionalen Honorarzuschläge sprechen.

Ohne gültigen Beschluss sei dies nicht möglich, sagte ein Kassenverbandssprecher der "Ärzte Zeitung". Eitel Freude herrsche darüber nicht.

Den in Kassenkreisen wachsenden Unmut nicht nur gegen möglichen Protest der Ärzte, sondern auch gegen die Politik des Spitzenverbandes der Krankenkassen wollen die Ärzte instrumentalisieren.

Die ursprüngliche Idee, Aktionen regional auf einzelne Kassen zu fokussieren, scheint indes verworfen zu sein. Die Nadelstiche sollen vielmehr flächendeckend verteilt werden.

Eine Protestidee könnten "Bummelstreiks" sein

Nach und nach schälen sich die Konturen möglicher Protestformen aus dem Nebel taktisch motivierten Schweigens heraus. Konsens ist die Formel: "Wir wollen die Kassen treffen, nicht die Patienten".

Nicht alle Beteiligten sind daher glücklich über das Vorpreschen der Pneumologen, wo es in dieser Woche bereits eine Praxisschließung gegeben hat.

"Wir wollen nicht alle Eskalationsstufen auf einmal abbrennen", lautet ein gängiger Kommentar dazu.

Die Kassen sind im operativen Geschäft angewiesen auf eine funktionierende Kostenkontrolle.

Hier setzen die Überlegungen der Protestkoordinatoren an. Vorstellbar seien zum Beispiel eine Art von "Bummelstreiks" - und zwar dort, wo die Kassenärztlichen Vereinigungen Arbeit für die Krankenkassen erledigten.

Ein Ziel könnte die Qualitätssicherung sein. Die könne man den Kassen auch wieder zurück vor die Tür stellen, sagte ein Teilnehmer flapsig.

Funktionäre sind sich einig: Keine justiziablen Aktionen

Ein Grundsatz der Aktionen soll sein, der Gegenseite keine Angriffsflächen zu bieten. Geltende Rahmenvereinbarungen sollen nicht gebrochen werden.

Diese Vereinbarungen legten aber nicht fest, in welchem Zeitraum etwas zu geschehen habe, heißt es.

Ein Beispiel: Viele Anfragen der Krankenkassen könne man eventuell auf die lange Bank schieben und erst beantworten, wenn alles andere erledigt sei.

Anfragen, die Ansprüche von Patienten angingen, sollten jedoch weiter zügig bearbeitet werden.

Konkrete Aktionsvorschläge kommen vom Berufsverband Deutscher Internisten (BDI) und dem Berufsverband der Deutschen Urologen. Sie wollen ihren Mitgliedern empfehlen, sich auf die Regelleistungsvolumina zu beschränken.

Dies sei ein "systemkonformer" Protest und verstoße nicht gegen den Sicherstellungsauftrag, sagte Hans-Friedrich Spies vom BDI der "Ärzte Zeitung".

Der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes hat die Vertreter der Ärzte derweil aufgefordert, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und sich an die gesetzlich vorgegebenen Regeln zu halten.

Gleichzeitig wies der Verwaltungsrat die heftige Kritik an den Krankenkassen und dem GKV-Spitzenverband als inhaltlich unbegründet und im Ton unangemessen zurück.

Eine weitere Verschärfung durch die von einzelnen Ärztevertretern angedrohten Maßnahmen werde Kranken lange Wartezeiten bescheren.

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