Ärztenachwuchs

Der Kampf der Kommunen

Jungärzte mit finanziellen und materiellen Anreizen zur Niederlassung bewegen - das versuchen immer mehr Kommunen in unterversorgten Gebieten. Ein Fall im Osten zeigt, dass es nicht nur um Fördertöpfe geht. Hier steht die Niederlassung in einer Neupraxis auf der Kippe.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Kopf im Sand: In Brandenburg kann bei der Ärztesuche davon keine Rede sein.

Kopf im Sand: In Brandenburg kann bei der Ärztesuche davon keine Rede sein.

© UPI Photo / imago

BERLIN. Soll eine Gemeinde einem niederlassungswilligen Arzt neue Praxisräume zur Verfügung stellen, wenn gleichzeitig alte Ärzte händeringend Nachfolger suchen? Diese Frage spaltet derzeit die Kleinstadt Schwarzheide im Süden Brandenburgs.

"Ärzte willkommen! Hier gibt es eine Villa, einen Porsche und einen roten Teppich." So preist Christoph Schmidt, parteiloser Bürgermeister von Schwarzheide, im Scherz seine eigene Gemeinde an.

Der Scherz hat einen ernsten Hintergrund: Um Ärzte werde zwischen den Kommunen heftig gerungen.

Schmidt erwägt derzeit, knapp 30.000 Euro zu investieren und zusätzliche Mittel aus einem Förderprogramm einzusetzen, um freie Räume einer Kindertagesstätte zu einer Praxis für einen jungen Hausarzt umzubauen, der sich in Schwarzheide niederlassen will.

Gegner der Förderung sehen Wettbewerbsverzerrungen

Die Pläne sind umstritten. Gegner führen ins Feld, dass sie zu einer Wettbewerbsverzerrung führen und die Chancen der alteingesessenen Ärzte auf eine erfolgreiche Praxisabgabe mindern.

"Ich sehe die Kommunen in der Pflicht", sagt dagegen Bürgermeister Schmidt. Er betrachtet die Förderung der Ansiedlung junger Ärzte auch als Wirtschaftsförderung.

Von den fünf Allgemeinmedizinern in Schwarzheide sind zwei über 70 und die anderen drei bereits über 60 Jahre alt. "Das ist kein Normalzustand", wie Bürgermeister Schmidt meint.

Für ihre Sorgen um den Praxisverkauf signalisiert er zwar Verständnis. Schmidt kann aber auch nachvollziehen, wenn ein junger Arzt lieber in einer modernen Praxis arbeiten will.

Nachbarkommunen in der Lausitz haben ebenfalls bereits Geld in die Hand genommen, um Ärzte zur Niederlassung zu bewegen. "Wir würden es wieder so machen", sagte der Bürgermeister von Großräschen, Thomas Zenker (SPD), der "Lausitzer Rundschau".

Niederlassungsförderung in Brandenburg

Für Ärzte, die sich in bestimmten Regionen Brandenburgs niederlassen, gibt es verschiedene Fördermöglichkeiten. Der Landesausschuss unterscheidet zwischen Regionen mit bestehender und solchen mit drohender Unterversorgung.

Für Regionen mit bestehender Unterversorgung gibt es bei Übernahme einer Praxis einen Sicherstellungszuschlag von insgesamt 50 000 Euro, bei Neugründung einer Praxis 40 000 Euro Zuschuss und bei Weiterführung einer Praxis in Form einer Zweigpraxis einen Zuschlag von 17 500 Euro. Die Förderungen werden von der KV gemeinsam mit den Krankenkassen finanziert. In Regionen mit drohender Unterversorgung, wie Schwarzheide im Süden des Landes, gelten die gleichen Bedingungen, jedoch entfällt dort der Zuschuss für Praxisneugründungen.

Zusätzlich gewährt die KV Brandenburg in unterversorgten Regionen Umsatzgarantien für Praxisübernahmen. Der Landesausschuss hat zehn Regionen mit Hausarzt-Unterversorgung festgelegt. In manchen wurde auch Unterversorgung bei Kinderärzten festgestellt. In allen Fällen sind die Gebiete weit von Berlin entfernt.

Der Regionalzeitung zufolge hat zudem die Stadt Ortrand eine fünfstellige Summe in ein Gesundheitszentrum investiert, an dem sie Anteile hält.

Die älteren Hausärzte in Schwarzheide suchen dagegen händeringend Nachfolger. Manch einer von ihnen wäre unter Umständen sogar bereit, seine Praxis zu verschenken, in die nach der Wende viel Geld investiert wurde.

Die alt eingesessenen Ärzte wollen vor allem, dass ihre Patienten weiterhin gut versorgt sind, wenn sie in den Ruhestand gehen. Zum Angebot stehen auch barrierefreie, rollstuhlgerechte Praxen, freilich nicht in neu ausgebauten Räumen, wie die Stadt das nun anbieten will.

Die Kommune ist nicht die einzige mögliche Quelle für eine Förderung der Niederlassung. Der junge Arzt, der nach Schwarzheide gehen will, kann auch Geld aus dem Sicherstellungstopf der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) und der Krankenkassen erhalten.

Die Kleinstadt mit ihren knapp 6000 Einwohnern liegt in einem der Altkreise, die nach der Definition des Landesausschusses von Unterversorgung bedroht sind.

Auch ein MVZ in der Region sucht händeringend Ärzte

Ärzte können dort einen Zuschuss von insgesamt 50.000 Euro bei Übernahme einer bestehenden Praxis erhalten.

Für die Neugründung einer Praxis gibt es nur in solchen Regionen einen Zuschuss, in denen der Landesausschuss bereits bestehende Unterversorgung festgestellt hat. Insofern unterstützt das Sicherstellungsstatut der KVBB auch die älteren Ärzte bei der Praxisabgabe.

Gegen die Initiative der Stadtverwaltung von Schwarzheide hat die KVBB dennoch nichts einzuwenden. "Wir sind dankbar für jede Unterstützung bei der Ansiedlung junger Ärzte, die wir kriegen können", sagt KVBB-Sprecher Ralf Herre.

Was im speziellen Fall von Schwarzheide die beste Lösung ist, müsse jedoch vor Ort entschieden werden, so Herre weiter.

Was der junge Hausarzt zu den verschiedenen Fördermöglichkeiten und zum Streit um seine Niederlassung sagt, ist unbekannt.

Er wird von allen Beteiligten geschützt, um seine Privatsphäre zu bewahren. Dem Vernehmen nach macht er derzeit seine Facharztausbildung in einem Krankenhaus in der Region.

Optionen hat er mehr als genug, wenn er bleiben will. In der Nachbarschaft von Schwarzheide suchen auch MVZ nach jungen Ärzten.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Förderung mit begrenzter Wirkung

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