Korruption

Montgomery fordert Augenmaß

Das Plädoyer der Redner bei der Festveranstaltung zum Internistenkongress war einmütig: Die Widersprüche im System wachsen, dennoch darf die Menschlichkeit nicht auf der Strecke bleiben. Und BÄK-Präsident Montgomery forderte, die Kirche im Dorf zu lassen.

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:
Montgomery in Wiesbaden: Keine Chance der Korruption.

Montgomery in Wiesbaden: Keine Chance der Korruption.

© Sven Bratulic

WIESBADEN. Der Präsident der Bundesärztekammer Professor Frank-Ulrich Montgomery hat sich bei einer Festveranstaltung zum Internistenkongress für eine Gesetzesregelung gegen Korruption ausgesprochen, in der nicht nur Ärzte, sondern auch die Pharmaindustrie und die Krankenkassen mit ins Boot genommen werden.

Kritisch äußerte sich Montgomery zu einem Eckpunktepapier, das derzeit den Parteien im Deutschen Bundestag vorliegt und in dem ein Strafrahmen von bis zu drei Jahren Gefängnis bei Korruption gefordert wird.

"Welcher Investmentbanker, der Milliarden hinterzogen hat, ist zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden?", fragte Montgomery. Bei der Strafzumessung seien Vernunft und Augenmaß notwendig, "da muss man auch mal die Kirche im Dorf lassen."

Mit Blick auf Manipulationen bei der Vergabe von Spenderorganen kritisierte Montgomery eine falsch verstandene "Menschlichkeit" von Kollegen, die verantwortungslos mit Grundsätzen und Prinzipien zur Transplantationsmedizin umgegangen seien.

Nur mit klaren Regeln sei das Problem der Rationierung bei der Vergabe von Organen in den Griff zu bekommen, doch diese Regeln seien gebrochen worden. Die Folge sei ein drastischer Rückgang an Spenderorganen, den er sehr bedauere.

"Das Ergebnis ist für uns desaströs, weil aus dem Bruch der Verantwortung nicht mehr Menschlichkeit, sondern eigentlich etwas sehr Unmenschliches entstanden ist", sagte er. "Wir können heute weniger Menschen retten, als wir das noch vor einiger Zeit konnten."

Ärzte unter Generalverdacht

BDI-Präsident Dr. Wolfgang Wesiack wies darauf hin, dass sich die Politik ihrer Verantwortung bei der Gesundheitsversorgung nicht stelle. Jahr für Jahr wachse der medizinische Fortschritt um etwa fünf bis acht Prozent. Die dafür nötige Kostensteigerung werde aber seit Jahren bei zwei bis drei Prozent gehalten.

Ärzte stünden unter einem permanenten Generalverdacht, müssten sich für alles rechtfertigen und würden für alle Missstände verantwortlich gemacht "Damit wollen Politiker und Kassen von ihrem eigenen Versagen ablenken", sagte er.

"Mit Gesundheitspolitik hat man noch niemals Wahlen gewonnen", stellte Hessens Sozialminister Stefan Grüttner klar. Der CDU-Politiker gab sich überzeugt, dass eine gute und vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung grundsätzlich mit dem Anspruch auf Wirtschaftlichkeit in Einklang zu bringen sei.

"Praxen und Krankenhäuser sind heute auch Wirtschaftsbetriebe, die auf Industriestandard arbeiten müssen, und sie müssen das künftig noch viel mehr tun als heute", sagte Grüttner in Wiesbaden.

Mit Blick auf Kliniken plädierte er für eine Trägervielfalt, damit es nicht zu "kartellmäßigen Situationen" komme. "Man muss schon genau beobachten, welche Gewinnmargen die privaten Klinikkonzerne erwarten, und welche Anteilseigner mit welchen Interessen dahinterstecken", so der Minister.

Ärzte forderte er auf, "sich im Zweifel auch gegen überzogene Anforderungen von Krankenhausgeschäftsführungen zu wehren". In Hessen wird derzeit eine Holding-Struktur für kommunale Kliniken geplant.

Frerichs-Preis für Soeren Lienkamp

Wiesbadens Bürgermeister Dr. Helmut Georg Müller hatte zuvor in seiner Grußrede angekündigt, dass die Rhein-Main-Hallen als Veranstaltungsort unmittelbar nach dem Internistenkongress 2014 abgerissen und dann neu aufgebaut werden. Derzeit läuft dazu noch ein Architekten-Wettbewerb.

Die Internisten werden dann ab 2015 mehrere Jahre in Mannheim tagen. Müller zeigte sich optimistisch, dass der Kongress nach dieser Pause wieder in die hessische Landeshauptstadt zurückkehrt.

Der mit 30.000 Euro dotierte Theodor-Frerichs-Preis der DGIM wurde an den Freiburger Arzt und Nachwuchsforscher Dr. Soeren Lienkamp verliehen.

Ausgangspunkt seiner Arbeit ist die Tatsache, dass in der Niere eine Million mikroskopisch kleiner Kanälchen den Körper ständig von Schadstoffen befreien, dabei aber lebenswichtige Substanzen zurückhalten und so die Zusammensetzung des Blutes regulieren.

Lienkamp erhielt den Preis für neue Erkenntnisse zur vorgeburtlichen Entwicklung dieser Nierenkanälchen. Sie erlauben nach Einschätzung der DGIM Einblicke in die Entstehung von Nierenzysten.

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