Hessischer Ärztetag

"Der Wust an Bürokratie schadet der Versorgung"

Orientierung im Dschungel Gesundheitssystem will der Hessische Ärztetag am 20. April in Frankfurt bieten. Was das konkret bedeutet, erläutert Kammerchef Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach im Interview.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:

Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach

'Der Wust an Bürokratie schadet der Versorgung'

© Martin Joppen / LÄK

Präsident der Landesärztekammer Hessen seit 2008

Niedergelassener Internist in Marburg

Stellv. Vorsitzender des BDI-Landesverbandes Hessen

Ärzte Zeitung: Herr Dr. von Knoblauch zu Hatzbach, warum gibt es 2013 zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder einen Hessischen Ärztetag?

Dr. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach: Für uns - die Landesärztekammer und die Kassenärztlichen Vereinigung - ist es sehr wichtig, die Mitglieder an die ärztliche Selbstverwaltung und diese an die Öffentlichkeit heranzuführen. Deswegen haben wir auch das Thema "Hessischer Ärztetag: Dschungel Gesundheitssystem" gewählt.

Wir haben ein Dickicht von gesetzlichen Regelungen, die für Ärzte, Patienten aber auch für viele Politiker schwer durchschaubar sind. Daher ist es uns wichtig, wenigstens ein Teil dazu beizutragen, Antworten auf die Fragen zu finden.

Wo drückt den hessischen Ärzten ganz besonders der Schuh?

Ärztinnen und Ärzte werden im Moment in erster Linie unter dem Blickwinkel der Honorierung gesehen. Dabei wird vergessen, dass eine faire ärztliche Vergütung die Voraussetzung ist, dass der Arzt überhaupt Patienten versorgen kann.

Daher wollen wir auf dem Hessischen Ärztetag mit Vertretern aus der Politik und vom PKV-Verband eine mögliche Bürgerversicherung und andere denkbare Modelle durchleuchten. Auch ärgern sich viele Kollegen, dass es seit nun 17 Jahren keinen Fortschritt bei der Gebührenordnung für Ärzte gibt.

Für uns als Kammer ist es wichtig, dass Kolleginnen und Kollegen, aber auch die Gesellschaft versteht, warum uns die Selbstverwaltung so wichtig ist. Das Kammersystem ist ein Alleinstellungsmerkmal in Europa. Die Selbstverwaltung wird aber heute von vielen nicht immer als Vorteil gesehen. Das Kammersystem funktioniert sehr gut und bietet, wenn man es richtig nutzt, große Chancen.

Im Mai sind in Hessen Kammerwahlen. Erhoffen Sie sich mit diesem Appell für das Kammersystem eine höhere Wahlbeteiligung?

Die Darstellung der Kammer bei Kollegen und in der Öffentlichkeit führt hoffentlich dazu, dass auch die Wahlbeteiligung größer ist. Wenn man die Wahl hat, sollte man sein demokratisches Recht auch nutzen.

Wir geben auf dem Hessischen Ärztetag in Frankfurt allen Listen, die sich im Mai bewerben, die Möglichkeit, ihre Standpunkte über die künftige Arbeit vorzustellen.

Sie sind seit 1993 in der Berufspolitik engagiert, seit 2008 Präsident der Landesärztekammer. Wenn Sie die Jahre einmal überblicken: Wie würden Sie die Entwicklung in der Ärzteschaft sehen?

Deutlich verändert haben sich die Arbeitssituation und das Vertrauen in die Körperschaften. Hat die Körperschaft Forderungen einmal nicht durchsetzen können, wird das oftmals an der Selbstverwaltung fest gemacht. Dies ist einfach für die Politik, weil so immer ein Sündenbock benannt werden kann. Es erleichtert auch die Rufe nach mehr Regelungen durch die Politik für Fragestellungen, die wir als Selbstverwaltung auch lösen könnten, aber nicht dürfen, weil Gesetze im Wege stehen.

Daran zeigt sich wieder der Dschungel im Gesundheitssystem. Zusätzlich spielt heutzutage das Diktat der Ökonomie in der Versorgung eine immer größere Rolle. Ökonomie scheint die Priorität zu haben und nicht die Qualität der Behandlung. Eine Entwicklung, die das Vertrauen der Patienten in die Ärzte zu zerstören droht.

In den Jahren haben auch die Meinungsverschiedenheiten zwischen den einzelnen Arztgruppen, auch in Hessen, deutlich zugenommen. Welche Rolle wollen Sie dabei einnehmen?

Meine Rolle ist sicher moderierend. Ich bin dafür angetreten, dass wir als Ärzteschaft einen gemeinsamen Auftrag haben und ihn deshalb auch vertreten müssen. Die Differenzen treten letztendlich durch die Budgetierung auf. Das System ist die Ursache dafür, dass sich die Ärzte gegeneinander stellen.

Was muss sich aus Ihrer Sicht in den kommenden Jahren in Klinik und Praxis ändern?

Die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsbelastungen müssen sich ändern. Zusätzlich zur Arbeitsverdichtung kommt ein Wust an Bürokratie. Das schadet der Versorgung der Patienten. Ärzte müssen wieder ihrer Tätigkeit nachgehen können, ohne durch die Ökonomie drangsaliert zu werden.

Außerdem brauchen sie am Anfang ihres Berufslebens Zeit für die Weiterbildung, später Zeit für kontinuierliche Fortbildung. Momentan kommen die Ärzte in Weiterbildung allerdings zu kurz. Wir in der Landesärztekammer Hessen arbeiten verstärkt daran, dass es mehr Weiterbildungsverbünde zwischen Kliniken und Praxen gibt.

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