Südwesten

KV krempelt Notdienst um

Aus 380 Bereichen werden 70: Die KV Baden-Württemberg baut ihren ärztlichen Notdienst völlig um - mit KV-Praxen und Fahrdiensten.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Rechts herum: Die Südwest-KV setzt auf eigene Notdienstpraxen.

Rechts herum: Die Südwest-KV setzt auf eigene Notdienstpraxen.

© wolterfoto / imago

STUTTGART. Am Ende der Sonder-Vertreterversammlung gab es Umarmungen des KV-Vorstands: Man meinte bei KV-Vorstandsvize Dr. Johannes Fechner die Steine der Erleichterung poltern zu hören, als die Delegierten am Mittwochnachmittag der neuen Notfalldienstordnung mit überwältigender Mehrheit zustimmten.

41 Delegierte stimmten der Satzungsänderung zu, ein Delegierter lehnte sie ab, eine Stimme ungültig. Die Reform wird Anfang 2014 in Kraft treten.

Letzte Änderungen durchgewunken

Fechner bezeichnete den Beschluss als "richtungsweisend": "Ohne diesen Beschluss wären die Notfallpraxen pleite gewesen. Denn die Kassen haben ihre Förderung an strukturelle Reformen geknüpft", berichtete Fechner der "Ärzte Zeitung".

Der KV-Vize sieht nicht nur in der VV eine große Zustimmung zu dieser Großreform: "Es sind nicht die Basisärzte, die mir böse Briefe schreiben."

Widerstand komme lediglich noch aus einigen wenigen Notfallpraxen, bei denen Ärzte aus der geltenden Notfalldienstordnung Vorteile zögen, so Fechner.

Am Mittwoch deklinierten die Delegierten die 28 Seiten umfassende neue Notdienstordnung Schritt für Schritt durch und winkten letzte Änderungen durch. Ein Beispiel: Ursprünglich war geplant, den organisierten Notfalldienst werktags um 19 Uhr beginnen zu lassen.

Dann müssten viele Ärzte, bei denen die Sprechstunde gewöhnlich bis 18 Uhr dauert, für eine Stunde eine Vertretung organisieren - ein bürokratisches Unding, fanden einzelne Delegierte. Jetzt beginnt der Notfalldienst um 18 Uhr.

Abzug von 30 Prozent nicht zumutbar

Was die neue Notdienststruktur die Ärzte in Euro und Cent kostet, wird im Detail erst gegen Ende des Jahres klar sein. Dann klopfen die Vertreter in ihrer Haushaltssitzung die letzten Details fest.

Grund ist eine anstehende EBM-Änderung: Danach sollen Krankenhausambulanzen bei der Vergütung von Notfallleistungen den Vertragsärzten gleichgestellt werden.

Das hätte eine deutliche Umverteilung zulasten der Vertragsärzte zur Folge. Denn von den insgesamt 2,3 Millionen Notfällen im Jahr 2012 in Baden-Württemberg entfiel eine Million auf Krankenhäuser (zudem: eine Million Fälle im organisierten Notfalldienst und 300.000 Hausbesuche).

Vor diesem Hintergrund sei der ursprünglich geplante Abzug von 30 Prozent bei Vertragsärzten im Sitzdienst nicht "zumutbar", so Fechner. Er peilt einen Abzug von maximal fünf Prozent an - Details legen die Vertreter in ihrer Haushalts-VV fest.

Kritik einzelner Delegierter am Gesamtkonzept keimte auch am Mittwoch wieder auf. Die neue Notdienstordnung sei zu zentralistisch, hieß es.

KV-Chef Dr. Norbert Metke wies das zurück, regionale Lösungen für den Notfalldienst seien nach wie vor möglich, sagte er unter Verweis auf Paragraf 9 Absatz 3 der neuen Satzung.

Unwägbarkeiten im wasserfesten Finanzplan

KV-Vorstandsvize Dr. Johannes Fechner hält das Finanzkonzept, das Ausgaben von insgesamt rund 90 Millionen Euro vorsieht, für wetterfest. So seien für den Fahrdienst von Ärzten, die Notdienst tun, 18 Millionen Euro eingestellt.

Tatsächlich zeichne sich ab, dass nur rund die Hälfte der Ärzte einen Fahrdienst anfordern werden. Dadurch würden Mittel von rund 4,5 Millionen Euro frei, so Fechner.

Freilich gibt es auch Unwägbarkeiten. So sind im Finanzplan bereits zehn Millionen Euro Förderung des organisierten Notfalldienstes durch die Kassen eingebucht.

Im laufenden Jahr zahlen die Kassen aber lediglich 6,13 Millionen Euro.

Abgestimmt haben die Delegierten am Mittwoch auch über die Höhe der Entschädigung für "Ehrenamtler" im neuen Notfalldienst: Die neuen Notfallpraxisbeauftragten sollen gestaffelt nach der Zahl der Behandlungsfälle in ihrem Sprengel bezahlt werden.

Bei bis zu 15.000 Behandlungsfällen werden monatlich 1000 Euro bezahlt, bei bis zu 30.000 Behandlungsfällen in einem Bezirk sollen es 1500 Euro monatlich sein.

Reform im Zeitplan

Bei noch mehr Patienten im Sitz- und Fahrdienst pro Jahr erhalten die Notfallpraxisbeauftragten 2000 Euro.

Für die Stellvertreter der Beauftragten beträgt die Entschädigung in den drei Stufen jeweils zehn Prozent. Bei den Kreisbeauftragten bleibt die Entschädigungshöhe unverändert: 300 Euro pro Monat.

Fechner zeigte sich zuversichtlich, dass die Reform im Zeitplan ist. Das gelte auch für den Start der rund 25 neuen Notfallpraxen.

Der Dichter Ludwig Uhland gebe den Weg vor: "Der wack‘re Schwabe forcht sich nit, ging seines Weges Schritt für Schritt".

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