KVen von Honorar-Urteil enttäuscht

"Jetzt ist jeder Verhandlungsspielraum beendet"

Das BSG-Urteil zu den Honorar-Zuwächsen in Sachsen-Anhalt ist für die KVen ein Schock. Sie reagieren ernüchtert - und fordern Klarstellungen von der Politik. Die Kassen hingegen bewerten die BSG-Entscheidung positiv.

Von Rebecca Beerheide und Ilse SchlingensiepenIlse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Honorarsprung ade? Nach dem BSG-Urteil fürchten KVen, dass es weniger regionale Spielräume in den Honorarverhandlungen gibt.

Honorarsprung ade? Nach dem BSG-Urteil fürchten KVen, dass es weniger regionale Spielräume in den Honorarverhandlungen gibt.

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NEU-ISENBURG. Mit den Worten "Rückschlag" und "Enttäuschung" haben Vertreter von mehreren Kassenärztlichen Vereinigungen das Urteil des Bundessozialgerichts zur vertragsärztlichen Versorgung in Sachsen-Anhalt bewertet.

"Das Urteil ist kein gutes Signal für die ambulante medizinische Versorgung in Sachsen-Anhalt", sagte der Chef der Landes-KV, Dr. Burkhard John. "Auch für weitere Bundesländer mit nachgewiesener höher Morbidität ist dies ein schwerwiegender Rückschlag."

Eine dieser KV-Regionen, die sich ebenfalls bisher vergeblich bemüht haben, eine höhere Morbidität im Land honoriert zu bekommen, ist die KV Hessen. Geschäftsführer Jörg Hoffmann sieht durch das Urteil des BSG "eine Tür geschlossen, was nicht nötig gewesen wäre", sagte Hoffmann im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Nach seiner Bewertung ist durch das Urteil das "Ende der Regionalität in den Honorarverhandlungen" zementiert. Allerdings habe der Bundesgesetzgeber bei Gesetzesänderungen in den vergangenen Jahren beabsichtigt, dass regionale Faktoren bei den Honorarverhandlungen berücksichtigt werden sollen. "Jetzt ist jeder Verhandlungsspielraum, der vorgesehen war, beendet."

KVen: Jetzt ist Politik in der Pflicht

Die KVen wollen nach Aussage Hoffmanns nun auf den Gesetzgeber zugehen und auf Nachbesserungen drängen. Auch der Vorsitzende der KV Westfalen-Lippe (KVWL), Dr. Wolfgang-Axel Dryden, sieht jetzt die Politik in der Pflicht.

Nicht zuletzt der frühere Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr habe schließlich wiederholt betont, dass die regionale Angleichung der Vergütungsniveaus gewünscht sei.

"Die Politik muss jetzt klare Kante zeigen", fordert Dryden. "Sie muss sich entweder dazu bekennen, dass die Krankenkassen die volle Morbiditätslast übernehmen, oder klarstellen, dass dies politisch nie gewollt war." Wenn der Gesetzgeber die Kassen in der Pflicht sieht, bedeutet das nach seiner Einschätzung die volle Vergütung aller Leistungen nach dem EBM.

"Tief enttäuscht" zeigte sich auch Bernhard Brautmeier, Vorstand der KV Nordrhein. Die KVNo wolle jetzt die schriftliche Begründung abwarten und mit den anderen betroffenen KVen das weitere Vorgehen absprechen.

Besondere Bauchschmerzen bereitet ihm die Vorgabe des Gerichts, dass bei der Bemessung des Honorarzuwachses jede Abweichung vom Prinzip 50 Prozent Morbidität, 50 Prozent Demografie gut begründet werden muss. "Das macht uns das Leben noch einmal schwerer", betont Brautmeier.

GKV-Spitzenverband: "Urteil ein wichtiges Signal"

Die KV Sachsen-Anhalt will nun nach vorne schauen. "Für 2013 werden wir im Schiedsamt neu verhandeln", sagte KV-Chef John auf Anfrage der "Ärzte Zeitung".

Die KV Hessen will die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und danach möglicherweise die Klage gegen den Schiedsspruch für 2013 zurückziehen.

In Westfalen-Lippe hat das BSG-Urteil auf die Honorarabschlüsse 2013 und 2014 nach Angaben von Dryden keine Auswirkungen. "Wir müssen jetzt in die Zukunft blicken", sagt er.

Erwartungsgemäß konträr bewerten die Kassen die Entscheidung: "Wir begrüßen das Urteil als ein wichtiges Signal dahin gehend, dass sich das Ärztehonorar an den realen Gegebenheiten und nicht am Wunschdenken von Ärztevertretern orientieren soll", sagt Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, der "Ärzte Zeitung."

"Die Ärztevergütung muss sich an den realen Leistungen der Ärzte und dem Behandlungsbedarf orientieren", so Lanz weiter.

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