Versorgungsgesetz II

Schwarz-Rot will bei KVen hineinregieren

Die Koalition gibt sich mit den Satzungsänderungen der KBV nicht zufrieden - und will bei vielen KV-Angelegenheiten gewaltig mitreden. Einige Details über das geplante Versorgungsgesetz II sind jetzt bekannt geworden.

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Bei der Parität der KV-Vertreterversammlungen sind sie sich noch nicht ganz einig: Jens Spahn (CDU, l.) und Karl Lauterbach (SPD, r.).

Bei der Parität der KV-Vertreterversammlungen sind sie sich noch nicht ganz einig: Jens Spahn (CDU, l.) und Karl Lauterbach (SPD, r.).

© Kay Nietfeld / dpa

BERLIN/BONN. CDU/CSU und SPD wollen offenbar nach wie vor in die Binnenstrukturen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) hineinregieren. Darauf deuten Äußerungen aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) sowie von führender Gesundheitspolitikern der Koalition von Donnerstag hin.

Die kürzlich beschlossene Satzungsänderung der KBV hat ein Verfahren geschaffen, Beschlussanträge nur von Haus- oder von Fachärzten entscheiden zu lassen.

Mit dem Versorgungsstärkungsgesetz will das Bundesgesundheitsministerium (BMG) aber noch einen eigenen Vorschlag für die KBV-Vertreterversammlung vorlegen, berichtete BMG-Staatssekretär Lutz Stroppe am Donnerstag beim 1. Internationalen Hausärztetag in Bonn.

"Wir werden einen eigenen Vorschlag vorlegen, wie die Parität von Haus- und Fachärzten in den Vertreterversammlungen umgesetzt werden kann", kündigte er an.

CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn wiederum sagte bei einem Hintergrundgespräch in Berlin, ihm würden die jüngsten Satzungsänderungen ausreichen. Die Union werde in diesem Punkt allerdings Koalitionsdisziplin walten lassen und mit der SPD stimmen.

Deren Vorstellungen hatte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Professor Karl Lauterbach, im ARD-Morgenmagazin umrissen. Für Hausärzte hält das neue Versorgungsstrukturgesetz demnach einige Änderungen bereit - beispielsweise mehr Autonomie innerhalb der KVen, sowie ein "eigenes Vergütungssystem", sagte Lauterbach.

"Wir in Berlin wissen, dass am Hausärzteberuf nicht gespart werden kann", sagte Lauterbach. Auf die KVen kommt offenbar einiges zu. So sollen in überversorgten Regionen frei werdende Arztsitze aufgekauft und nicht wieder besetzt werden.

Hausärzte sollen eigene MVZ gründen dürfen

Die Koalition will mit dem Versorgungsstärkungsgesetz weiter gegen den drohenden Ärztemangel vorgehen. Details des geplanten Gesetzes erläuterte Staatssekretär Stroppe beim Hausärztetag.

Die Sicherung der hausärztlichen Versorgung und der Ausbau der Allgemeinmedizin werden zentrale Elemente sein, das im Oktober zwischen den Ministerien abgestimmt wird, so Stroppe.

Es sei erschreckend, dass seit Jahren nur zehn Prozent der Facharztanerkennungen auf die Allgemeinmedizin entfallen, sagte er. Ansetzen will das BMG bei der Nachwuchsgewinnung durch einen Masterplan Medizinstudium 2020.

Die Schaffung allgemeinmedizinischer Lehrstühle dürfe nicht mehr an Kultusministerien oder der Hochschulautonomie scheitern. Die Finanzierung der allgemeinmedizinischen Weiterbildung solle gesichert, ausgebaut und modifiziert werden, sagte Stroppe.

Die Zahl der Weiterbildungsstätten für Hausärzte, die die KVen finanzieren müssen, soll nach Angaben von Jens Spahn um 50 Prozent auf dann 7500 angehoben werden. Bund und Länder hätten zudem Gespräche über mehr Studienplätze für Allgemeinmediziner aufgenommen.

Auch die Arbeitsbedingungen für Hausärzte sollen verbessert werden, berichtete Stroppe. Geprüft werde die Möglichkeit, den Abschluss von Selektivverträgen zu erleichtern. Hausärzte sollen eigene MVZ gründen dürfen.

Anerkannte Ärztenetze sollen gefördert, die Spielräume für innovative Versorgungskonzepte erweitert werden. Die Möglichkeiten der Entlastung von Hausärzten durch Delegation von Leistungen werden geprüft. Damit soll auch mehr Flexibilität für Teilzeitarbeit geschaffen werden, so Stroppe.

Offenbar plant Schwarz-Rot auch den flächendeckenden Einsatz von Praxisassistentinnen. Darauf hatten sich Kassen und Ärzte schon im Zuge der Honorarverhandlungen geeinigt.

Spahn schießt gegen GKV-Spitzenverband

Scharfe Kritik übte Spahn am Gebaren des GKV-Spitzenverbandes in den Preisverhandlungen mit den Herstellern von Arneimitteln.

"Was der GKV-Spitzenverband da macht, geht so nicht weiter", sagte Spahn. Weil der Verband die Preise zu tief drücken wolle, hätten Hersteller Medikamente vom deutschen Markt genommen.

Das schade den Patienten, die nun auf neue Präparate umgestellt werden müssten.

"Wegen des starrköpfigen und kurzsichtigen Verhalten des Spitzenverbandes sind den Krankenkassen in einigen Fällen unterm Strich erhebliche Mehrkosten entstanden", schrieb Spahn zudem in seinem Internetblog.

Dass die verhandelten Erstattungsbeträge rückwirkend gelten sollten, wie die Kassen dies wünschen, lehnte Spahn ab. Hintergrund sind die von den Kassen befürchteten Kosten eines neuen Wirkstoffes gegen Hepatitis C.

Die Kassenseite hatte die Kosten im ersten Jahr nach Markteinführung auf mehr als eine Milliarde Euro geschätzt. Die Kassen nahmen dies als Argument, zu fordern, dass der nach einem Jahr verhandelte Erstattungspreis grundsätzlich rückwirkend vom Tag der Markteinführung an gelten solle.

Tatsächliche Kosten 400 bis 500 Millionen Euro

Tatsächlich würden sich die Kosten für die Hepatitisarznei auf 400 bis 500 Millionen Euro belaufen, berichtete Spahn. Von einem einzelnen Medikament könne man keine neue Regel ableiten.

„Wir müssen nichts Grundsätzliches am AMNOG ändern“, sagte Spahn. Leichte Korrekturen habe er gleichwohl ins Auge gefasst.

Es gehe nicht an, dass eine breite Innovation wie der Hepatitis C-Wirkstoff Sofosbovir vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen aus formalen Gründen lediglich Hinweise auf einen Zusatznutzen bescheinigt bekomme.

Wenn aus ethischen Gründen Vergleichsstudien nur eingeschränkt zur Verfügung stünden, brauche die frühe Nutzenbewertung hier zusätzliche Instrumente. (HL/af/bee/ths)

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