Bahr

Ex-Gesundheitsminister heuert bei PKV an

Der ehemalige Gesundheitsminister Daniel Bahr arbeitet künftig für einen privaten Krankenversicherer - und wechselt also in die Branche, für die er einst zuständig war. Dieser Schritt ruft unterschiedliche Reaktionen bei Ärzten, Gesundheitspolitikern und Ärztevertretern hervor.

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Daniel Bahr - vom Bundesgesundheitsminister zur Allianz.

Daniel Bahr - vom Bundesgesundheitsminister zur Allianz.

© Stephanie Pilick

MÜNCHEN/BERLIN. Erneut wechselt ein ehemaliger Top-Politiker in die Wirtschaft: Ex-Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) wird vom 1. November an Generalbevollmächtigter der Allianz Private Krankenversicherung, wie die Allianz am Montag in München mitteilte.

Er übernehme das Leistungsmanagement und die Vertriebskoordination. Das schließt auch die Verträge mit Ärzten und Kliniken ein.

Nach einer Einarbeitung solle Bahr - vorbehaltlich der Zustimmung der Finanzaufsicht BaFin - in den Vorstand berufen werden.

Diskussion über Karenzzeiten

Bahr wechselt damit in die Branche, für die er als Minister zuständig war. Auch hatte er sich für den Erhalt der privaten Krankenversicherung stark gemacht.

Die Vereinigung Lobbycontrol kritisierte den Wechsel Bahrs zur Krankenversicherung und forderte die Bundesregierung auf, endlich per Gesetz Karenzzeiten für den Wechsel in die Wirtschaft einzuführen.

Bahr verteidigte den Schritt. Es sei für ihn logisch, dass er in diesem Bereich auch weiter tätig sei. "Es wäre ja eher verwunderlich gewesen, wenn ich jetzt für die Automobilindustrie arbeiten würde", sagte er der "Süddeutschen Zeitung".

Einen Interessenkonflikt kann er nicht erkennen. Im Gegensatz zu anderen Ex-Ministern werde er nicht als Lobbyist tätig sein. Die Karenzzeit zwischen seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt und dem neuen Job sei "hinreichend".

Bahr hatte nach der Bundestagswahl vor mehr als einem Jahr, als die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte, seinen Ministerposten abgeben müssen.

Seit Februar 2014 ist er für die Denkfabrik Center for American Progress tätig, die unter anderem die Regierung von US-Präsident Barack Obama bei der Gesundheitsreform berät.

Kritik und Glückwünsche

Mit Kritik, Geschmäckle-Vedacht und Glückwünschen haben Ärzte, Politiker sowie Vertreter aus dem Gesundheitswesen und den Kassen auf den neuen Job von Bahr reagiert.

Der Vorsitzende des Hartmannbundes gratulierte dem ehemaligen Gesundheitsminister zum neuen Job: "Wir sehen das nicht als kritischen Vorgang und wünschen ihm alles Gute", sagte Dr. Klaus Reinhardt der "Ärzte Zeitung".

Heftige Kritik äußerte Linken-Politikerin Kathrin Vogler: "Nach noch nicht mal einem Jahr Schamfrist seit seinem Ausscheiden aus dem Ministeramt wechselt er ausgerechnet zu der Branche, die er auch schon als Minister auf das Feinste bedient hat", erklärt die Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte der Linken-Bundestagsfraktion.

Die Abgeordnete kritisiert, dass die Allianz an dem in der vergangenen Legislaturperiode eingeführten "Pflege-Bahr" verdiene. "Es riecht danach, dass der Allianz-Konzern ihn jetzt für die geleisteten Dienste belohnt."

Nach der früheren Staatssekretärin im Justizministerium Birgit Grundmann sei dies der zweite Fall eines FDP-Politikers, der zur Allianz wechsele, heißt es bei Kritikern im Sozialen Netzwerk Twitter. "Die Allianz liebt FDP-Politiker." Grundmann hat beim Versicherungskonzern ist seit September 2014 "Generalbevollmächtigte Politik und Verbände".

Um die Debatte beim Wechsel von früheren Ministern in die freie Wirtschaft zu verhindern, haben CDU und SPD im Koalitionsvertrag festgelegt, eine "angemessene Regelung" zu finden. Noch ziehen sich die Gesetzespläne dazu allerdings hin.

Unterschiedliche Reaktionen bei Ärzten

Mit gemischten Gefühlen reagierten auch viele Mediziner. "Wir bräuchten klare Spielregeln, damit niemand, der seine Kontakte ausnutzen will, dies unlauter nach der Amtszeit ausnutzen kann. Das aber erwarte ich von Daniel Bahr definitiv nicht", sagt Palliativmediziner Thomas Sitte der "Ärzte Zeitung".

"Andererseits darf jemand, der sein Wissen und seine Fähigkeiten weiterhin sinnvoll für die Gesellschaft auf dem Fachgebiet eines vorherigen Amtes, nicht unnötig daran gehindert werden", so Sitte weiter.

Ähnlich argumentiert Hausarzt Dr. Martin Leimbeck aus dem hessischen Braunfels: "Es muss diskutiert werden, wie lang ein angemessener Zeitraum nach dem Amt sein kann. Aber ich halte es für schwierig, wenn ein Politiker so offensichtlich dahin wechselt, wo die Wirtschaft vorher von ihm profitiert hat."

Eine private Versicherung als neuer Arbeitgeber? Dr. Rainer Graneis aus dem baden-württembergischen Ostfildern-Nellingen sieht darin kein Problem. "Eine Stellung in der Pharmaindustrie oder den gesetzlichen Krankenversicherungen hielte ich für problematischer", sagte er auf Anfrage der "Ärzte Zeitung".

Deutliche Kritik äußerte Dr. Thomas Schätzler, Allgemeinmediziner aus Dortmund: "Es passt ins Bild, private Versicherungen werden so weiter gesamtstrategisch gestärkt."

Bahr, der gerne länger in der Politik geblieben wäre, äußerte sich im Juli in seinem letzten Interview für die "Ärzte Zeitung" noch salomonisch über sein künftiges Berufsleben: "Ich komme zurück. Es gibt viele Angebote", sagte er im Gespräch. Das ging nun offenbar schneller, als er gedacht hatte. (dpa, bee, al)

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