Versorgungsgesetz

"Abrissbirne der ärztlichen Freiberuflichkeit"

Gerade erst wurden die Inhalte des Versorgungsstärkungsgesetzes bekannt. Schon hagelt es harsche Kritik von Ärzten für die Koalition.

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BERLIN. Der erste bekannt gewordene Entwurf des Versorgungsstärkungsgesetzes hat vor allem in der Fachärzteschaft keinen Jubel ausgelöst.

"Ich halte den Entwurf für den Versuch, die schlechten finanziellen Verhältnisse der gesetzlichen Krankenversicherung zu verschleiern und den Patienten Sand in die Augen zu streuen", sagte der Präsident des Berufsverbands Deutscher Internisten, Dr. Wolfgang Wesiack, am Freitag der "Ärzte Zeitung".

Die geplanten Terminservicestellen lösten kein Problem, sagte Wesiack. Sie erzeugten neue Bürokratie. Bei notwendigen Behandlungen erhielten Patienten auch heute schon schnell einen Termin beim Facharzt.

Den mit dem Gesetzentwurf forcierten Abbau von Arztpraxen in als überversorgt geltenden Gebieten hält Wesiack für willkürlich. "Damit verlieren wir Ärzte, auch Fachärzte", sagte der Facharzt für Innere Medizin.

Die "erzwungene Streichung von Praxissitzen" treibt auch den Vorsitzenden des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, um. Damit seien Eingriffe in Eigentumsrechte und die Berufsausübungsfreiheit von Praxisinhabern verbunden, klagte Reinhardt.

 "Die Tendenz zu Eingriffen in die freiheitliche Ausübung des Arztberufes wird mit dem Versorgungsstärkungsgesetz nicht gebrochen." In diese Kerbe schlägt auch der Vorsitzende des NAV-Virchow-Bundes, Dr. Dirk Heinrich.

"Das Gesetz ist die Abrissbirne der ärztlichen Freiberuflichkeit", stellte Heinrich fest. Zudem weite es die Mittelabflüsse aus der ärztlichen Gesamtvergütung aus.

Die Vertragsärzte müssten daraus die Entschädigungen beim Aufkauf von Praxissitzen, die Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin, die Förderung von Praxisnetzen innerhalb der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung die Förderung von Hochschulambulanzen und den Aufbau von Bürokratie durch die Terminservicestellen bezahlen.

Lob für Konvergenz

Der Deutsche Psychotherapeutenverband fürchtet um die Versorgungsqualität. "Angesichts der vorhandenen Wartezeiten ist der geplante Aufkauf von Praxissitzen im Bereich der psychotherapeutischen Versorgung kontraindiziert und absurd", heißt es in einer Pressemitteilung.

Lob gibt es für die Regelungen zur Konvergenz. "Endlich soll es keine interne Umverteilung zwischen den KVen mehr geben, wenn Morbidität in den verschiedenen KVen unterschiedlich bezahlt wird", teilte der Vorstandsvorsitzende der Medi Geno Deutschland, Dr. Werner Baumgärtner, mit.

Thema der Reaktionen waren auch die geplanten Regelungen zur Parität zwischen Haus- und Fachärzten in den Vertreterversammlungen. Das biete die letzte Gelegenheit, dieses Problem intern per eigener Satzung zu lösen, sagte Baumgärtner.

Es sei richtig, dass die Hausärzte ihre Belange in den Vertreterversammlungen künftig selbst regeln könnten, unterstrich Wolfgang Wesiackals Vertreter auch der hausärztlichen Internisten.Das ändere jedoch nichts daran, dass viele Versorgungsprobleme von beiden Versorgungsebenen gemeinsam angegangen werden müssten.

Während sich die Fachärzte eher als Verlierer dieser Gesetzgebung sehen, äußern sich die Hausärzte verhalten positiv. Man begrüße, dass das Gesundheitsministerium ausdrücklich den hausärztlichen Versorgungsbereich stärken wolle.

"Wie sich das Gesetz am Ende konkret darstelle, bleibt abzuwarten", teilte der Hausärzteverband der "Ärzte Zeitung" auf Anfrage mit. (af)

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