Versorgungsgesetz

Chirurgen fühlen sich missachtet

Die Chirurgen wollen nicht nur die Buhmänner für steigende Operationszahlen sein: Sie reklamieren Erfahrung in der Versorgungsforschung und wollen sie in die Politik einbringen. Doch die zeige ihnen die kalte Schulter, kritisieren sie bei einem Kongress in Berlin.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Vorbereitungen zur Operation. Die Chirurgen fordern mehr Verantwortung im Gesundheitswesen.

Vorbereitungen zur Operation. Die Chirurgen fordern mehr Verantwortung im Gesundheitswesen.

© Tobilander / fotolia.com

BERLIN. Die schwarz-rote Koalition hat mit dem Versorgungsstärkungsgesetz einen besonderen Akzent auf die Versorgungsforschung gesetzt. Die Federführung für diese Projekte soll der Gemeinsame Bundesausschuss inne haben.

Nicht vertreten in diesen Gremien ist der medizinische Sachverstand, den die medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften für sich beanspruchen. Das stößt dort auf Unverständnis: Die Wissenschaft sieht sich von der Politik und der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen ausgegrenzt.

"Kontakte zur Politik sind gleich null"

"Das Fachwissen der Leistungserbringer ist nicht gefragt", sagte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), Professor Hans-Joachim Meyer, am Mittwoch in Berlin.

"Die Kontakte zur Politik sind gleich Null", unterstrich Meyer. Der Gesundheitsminister ignoriere die Fachgesellschaften. Die Politik werde von den Kostenträgern und dem "Machtapparat" Gemeinsamer Bundesausschuss (GBA) bestimmt. Der sei eine Institution, die die Gesetze vorgebe.

Die Chirurgen stehen wegen steigender Operationszahlen und damit verbundener Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung in der Kritik. Deutschland erreicht hier Spitzenwerte.

Mehr als 220.000 Hüft- und mehr als 160.000 Kniegelenke werden pro Jahr ausgetauscht. Ein im Sommer veröffentlichtes Gutachten hat ergeben, dass eine in den Fallpauschalen höher vergütete Indikation sich dahingehend auswirke, dass die Fallzahlen stiegen.

Die Operationszahlen alleine bildeten jedoch nicht ab, um was es wirklich gehe, sagte DGCH-Präsident, Professor Peter Vogt. Vielmehr müsse das Auftreten bestimmter Erkrankungen in Zusammenhang mit dem Leiden der Patienten, zum Beispiel durch Knie- und Hüftarthrosen.

Erforscht werden müsse, wie effektiv die eingesetzten Verfahren seien und wie sich die Lebensqualität der Patienten entwickele.

Kosten-Nutzen-Relation herstellen

"Unser Credo ist: Anstatt nur die Ausgabenseite zu betrachten, sollten erweiterte Überlegungen erfolgen, die Kosten-Nutzen-Relationen herstellen", sagte Vogt. Das gehe nur mit Versorgungsforschung als Teil der Gesundheitssystemforschung.

Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie als Mitgründerin des Deutschen Netzwerkes für Versorgungsforschung habe in den vergangenen 14 Jahren effiziente und vernetzte Strukturen von Versorgungsforschung aufgebaut.

"Unser Wunsch ist es, in die Projekte der Politik zur Qualitäts- und Kostensituation stärker eingebunden zu werden, sagte Vogt. Sprich: Die Chirurgen wollen beim Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) und beim geplanten Innovationsfonds ein Wörtchen mitreden.

Das Register bariatrischer Operationen ist ein Beispiel für die von den Chirurgen geleistete Versorgungsforschung. Darin seien mit etwa 30.000 Eingriffen etwa 90 Prozent der Magenverkleinerungs-Operationen erfasst, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV), Professor Claus-Dieter Heidecke.

Die DGAV plane, das Register zu erweitern. Patienten sollten möglichst schon zum Zeitpunkt der Erstvorstellung beim Arzt erfasst werden.

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