KBV attackiert Gröhe

Gibt die Union beim Praxisaufkauf nach?

Beim Neujahrsempfang der Ärzte musste sich der Gesundheitsminister harsche Kritik am Versorgungsstärkungsgesetz anhören. Jetzt deutet die CDU-Gesundheitspolitikerin Maag einen Kompromisskurs an.

Wolfgang van den BerghVon Wolfgang van den Bergh und Florian StaeckFlorian Staeck Veröffentlicht:
Appellierte an die Koalition, die Ärzte in freien Praxen nicht „ausbluten zu lassen“: KBV-Chef Dr. Andreas Gassen.

Appellierte an die Koalition, die Ärzte in freien Praxen nicht „ausbluten zu lassen“: KBV-Chef Dr. Andreas Gassen.

© David Vogt

BERLIN. Die KBV hat zum Start der parlamentarischen Beratungen über das Versorgungsstärkungsgesetz (VSG) den Druck auf die Politik erhöht.

Beim Neujahrsempfang der Deutschen Ärzteschaft nutzte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen die Anwesenheit von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zu einer scharfen Attacke auf das VSG.

Das Gesetz stelle einen Paradigmenwechsel dar und führe geradewegs in ein staatlich geführtes Gesundheitswesen, sagte Gassen vor 600 geladenen Gästen in Berlin.

"Lassen Sie die Ärzte in freien Praxen nicht ausbluten", appellierte er an Gröhe. Die mit dem Gesetzentwurf beabsichtigten zentralistischen Strukturen würden den Kannibalismus zwischen Kliniken und ambulant tätigen Fachärzten verschärfen, warnte der KBV-Vorsitzende.

Gröhe widersprach den Vorwürfen. Er beteuerte, mit dem neuen Gesetz werde die wohnortnahe, ambulante Versorgung gestärkt.

Es gelte, so Gröhe, nicht Mauern zwischen den Sektoren zu errichten, sondern Brücken zu den Patienten zu bauen. Dabei setze er auf den Dialog mit der verfassten Ärzteschaft, so der Minister.

"Die Dosis macht das Gift"

Genau diese verfasste Ärzteschaft in Gestalt der KBV-Vorstände Gassen und Regina Feldmann schlug in einem offenen Brief an alle niedergelassenen Kollegen scharfe Töne an.

Einzelne Regelungen im VSG mögen zunächst harmlos erscheinen, aber mit Gesetzen sei es wie mit der Medizin: "Die Dosis macht das Gift und Wechselwirkungen können schädlich sein", heißt es in dem Schreiben.

Der KBV-Vorstand mahnte die niedergelassenen Ärzte, angesichts des "drohenden Ausverkaufs" der ambulanten Versorgung "zusammenzuhalten". Mittlerweile habe man den Eindruck, "dass der Protest Gehör findet", schreiben Gassen und Feldmann.

Als positives Signal wurden in dem Zusammenhang die Auslassungen der CDU-Bundestagsabgeordneten Karin Maag gewertet. Die in Stuttgart beheimatete Parlamentarierin ist Mitglied im Gesundheitsausschuss und in der Unionsfraktion Berichterstatterin für das VSG.

 Sie deutete an, dass der umstrittene Passus zum Praxisaufkauf in den parlamentarischen Beratungen entschärft werden könne.

Laut dem Regierungsentwurf ist ein Praxisaufkauf bei einem rechnerischen Versorgungsgrad von über 110 Prozent möglich. In Baden-Württemberg liegen zum Beispiel 2500 haus- und fachärztliche Praxen über diesem Wert.

200- statt 110 Prozent-Grenze?

In einem Videobeitrag der KV Baden-Württemberg erklärte Maag, bei den 110 Prozent handele es sich um eine "rechnerische Lösung, die nicht zu jedem Fall passt".

Maag machte unter Verweis auf den Sachverständigenrat deutlich, dass die Grenze im Zuge der parlamentarischen Beratungen auf 200 Prozent heraufgesetzt werden könnte.

Die Gesundheitspolitikerin verwies zudem darauf, dass der Regierungsentwurf - anders als noch der Referenententwurf - die Möglichkeit der Nachbesetzung auch in rechnerisch überversorgten Regionen zulasse, insofern ein Versorgungsbedarf besteht.

"Es liegt an den Ärzten im Zulassungsausschuss, den jeweiligen Versorgungsbedarf zu bewerten." Ihr zu Folge müssten sich weder Ärzte noch Patienten "Sorgen machen", dass die Versorgung eingeschränkt wird, beteuerte Maag.

Baden-Württembergs KV-Chef Dr. Norbert Metke sieht in dieser Ankündigung zwar "keine Lösung des Problems", aber doch "einen gangbaren Weg" hin zu einer Kompromisslösung.

Unterdessen plädiert auch Michael Hennrich (CDU) dafür, die Soll-Vorschrift auf 180 Prozent hochzusetzen. Das sagte der Bundestagsabgeordnete am Rande der 21. Netzkonferenz der "Ärzte Zeitung" in Berlin. Dafür sollten aber nicht mehr die KVen das letzte Wort über die Entscheidung zum Aufkauf eines Sitzes haben, sondern die Kassen, so Hennrich.

Auch KBV-Chef Gassen begrüßte die Aussagen Maags. Offensichtlich sollten Regelungen, die "die ambulante Versorgung erheblich gefährden können, einer kritischen Überprüfung" unterworfen werden.

Wichtig wird auch die Positionierung des Bundesrats sein. Der Gesundheitsausschuss der Länderkammer hat das VSG am vergangenen Mittwoch beraten, seine Empfehlungen wurden bis Freitag noch nicht veröffentlicht. Das Plenum des Bundesrats wird das Gesetz am 6. Februar beraten. (Mitarbeit ger)

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